Für das Land Baden-Württemberg kann das Aus für den Atommeiler Fessenheim nicht früh genug kommen. Doch für die EnBW, die ihn mit finanziert, könnte das teuer werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mit der Stilllegung des Kernkraftwerks Fessenheim kann es der Landesregierung eigentlich nicht schnell genug gehen. Nicht erst Ende 2016, wie vom französischen Staatspräsidenten François Hollande angekündigt, sondern möglichst schon früher soll der Atommeiler am Oberrhein ihrer Ansicht nach abgeschaltet werden. Dafür habe man sich wiederholt gegenüber der Regierung in Paris eingesetzt, berichtete das Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne) unlängst auf eine Anfrage der Landtags-CDU.

 

Ein rasches Aus sei geboten „aufgrund der Sicherheitsdefizite“, die ein Gutachten des Freiburger Öko-Instituts im Auftrag des Landes erneut bestätigt habe: Im Vergleich zu deutschen Kernkraftwerken weise Fessenheim in mehrerlei Hinsicht „eine geringere Sicherheit“ auf – zum Beispiel, was den Schutz gegen Erdbeben oder vor Hochwasser angehe.

Liaison aus Zeiten des Badenwerks

Doch die vorzeitige Stilllegung von Fessenheim könnte für das Land auch nachteilige Folgen haben: in seiner Eigenschaft als Großaktionär der EnBW. Der Karlsruher Energiekonzern ist nämlich seit Jahrzehnten mit dem Atommeiler der Électricité de France (EdF) verbandelt und profitiert zumindest mittelbar von dessen Betrieb (die StZ berichtete). Im Jahr 1972 übernahm das Vorgängerunternehmen Badenwerk 17,5 Prozent der Baukosten, in gleicher Höhe ist die EnBW Kraftwerksgesellschaft seither „an den fixen und variablen Kosten beteiligt“. Im Gegenzug erhielten die Karlsruher den entsprechenden Anteil am produzierten Strom, jedenfalls bis Ende 2009. Dann tauschten sie ihr Kontingent angeblich aus technischen Gründen mit dem Eon-Konzern; seither erhält man die gleiche Strommenge aus deutschen Eon-Kraftwerken. Miteigentümer ist die EnBW in Fessenheim nicht, man habe „faktisch keinen Einfluss auf betriebliche und sicherheitsbezogene Entscheidungen“, hieß es schon früher.

Was aber würde das Aus für Fessenheim für die EnBW und das Land bedeuten? Drohe die Stilllegung womöglich an Ersatzforderungen der Betreiber zu scheitern, die laut Medienberichten Investitionen in die Anlage und entgangenen Gewinn geltend machen wollten? Danach erkundigten sich CDU-Abgeordnete um den Lörracher Ulrich Lusche bei der Landesregierung. Die Antwort des Umweltministeriums ließ viele Fragen offen. Man müsse erst einmal das Gesetz zur Umstrukturierung der französischen Energieversorgung abwarten, das dem Parlament in Paris bis Anfang 2014 vorgelegt werden solle; dieses werde auch Regeln zu Fessenheim enthalten. Zu möglichen Rechtsfolgen könne man daher noch nichts sagen. Aus der Beteiligung der EnBW an den Kosten des Atommeilers ergäben sich aus Sicht des Landes jedoch keine Ersatzansprüche – jedenfalls nach den Maßstäben, die beim deutschen Atomausstieg angelegt würden.

Landesvertreter hüllen sich in Schweigen

Alle weitergehenden Fragen blockt die Regierung unter Hinweis auf diese Antwort ab. Welche wirtschaftlichen Risiken drohen der EnBW bei der Stilllegung von Fessenheim? Kennen die Landesvertreter im Aufsichtsrat eigentlich die Verträge mit den Franzosen? Ließen diese sich eventuell kündigen? Dazu könne man nichts sagen, verlautet unisono aus dem Staats- und dem Finanzministerium: Geheimhaltungsvorschriften stünden einer Auskunft entgegen, die Kontrolleure seien zur Verschwiegenheit verpflichtet; zudem handele es sich um Themen aus dem operativen Bereich, zu dem die Aktionäre keinen Auskunftsanspruch hätten.

Auch bei der EnBW selbst kommt man nicht viel weiter. Wie hoch die jährliche Beteiligung an den Betriebs- und Investitionskosten ist, welche Ausgaben auf den Konzern womöglich noch zukämen – dazu erfährt man in Karlsruhe wenig. Da man nicht Eigentümer sei, so die Auskunft, könne man „absolute Zahlen nicht benennen“. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – eigene oder von Eon – könne man ohnehin nicht offenbaren. Bestätigt wird immerhin das Risiko, dass sich EnBW an den millionenschweren Investitionen für die Nachrüstung von Fessenheim beteiligen muss (es sei „größer als fünfzig Prozent“) und das grundsätzliche Risiko, an den Kosten für den Rückbau beteiligt zu werden; die Klärung dieser Frage sei allerdings noch nicht abgeschlossen.

EnBW: Sicherheitsprobleme existieren nicht

Einen gemeinsamen Antrag der Freiburger Wochenzeitung „Der Sonntag“ und der Stuttgarter Zeitung, nach dem Landesumweltinformationsgesetz Einblick in die fraglichen Unterlagen zu erhalten, lehnte die EnBW dieser Tage ab; es fehle schon an der Umweltrelevanz. Die bemerkenswerte Begründung: „Die Tatsache, dass der Betrieb des Kernkraftwerks Fessenheim von der französischen Aufsichtsbehörde unverändert genehmigt ist, zeigt uns, dass die von Ihnen vermuteten Sicherheitsprobleme nicht existieren.“