In der konstituierenden Sitzung der Informationskommission zum Kernkraftwerk Neckarwestheim zeigen sich erste Diskrepanzen.
Neckarwestheim - Schon in der konstituierenden Sitzung am Dienstag ist klar geworden: die Vorstellungen von Sinn und Zweck der vom Umweltministerium eingerichteten Informationskommission zum Kernkraftwerk Neckarwestheim gehen bei den Teilnehmern auseinander. Während sich die EnBW als Betreiber sowie das Land als Atomaufsicht in dem Gremium – in dem sie lediglich Gaststatus haben – offenbar vor allem darauf konzentrieren wollen, die technischen Details der Sicherheitsvorkehrungen in der Anlage zu präsentieren, streben Umweltverbände und Bürgerinitiativen eine Grundsatzdiskussion über die Gefahren der Atomenergie an.
Diskrepanz zeigt sich am Ende der Sitzung
Am anschaulichsten zeigte sich die Diskrepanz am Ende der Sitzung, als Wolfram Scheffbuch, der Vertreter des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN), vorschlug, zu einer der nächsten Sitzungen einen Experten für eine Kinderkrebsstudie als Referenten einzuladen. Sowohl die Vertreter des Umweltministeriums als auch der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas, der stellvertretende Vorsitzende der Kommission, bezeichneten das Thema als zu global und ungeeignet für das Gremium – was einige Bürgermeister und Landtagsabgeordnete anders sahen. Doch Gerrit Niehaus, der Leiter der Abteilung Kernenergieüberwachung und Strahlenschutz im Umweltministerium, stellte klar: „Sie sollen doch in erster Linie uns und den Betreiber löchern“. Zumal die Studie, nach der die Leukämierate bei Kindern im Umkreis von Atomkraftwerken erhöht ist, in wissenschaftlichen Kreisen umstritten sei.
Auch der Vorschlag von Friedlinde Gurr-Hirsch, CDU-Landtagsabgeordnete, dann eben verschiedene Experten anzuhören, fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Niehaus schlug stattdessen vor, Mitarbeiter des Umweltministeriums zu diesem Thema zu hören. Daraufhin regte Wolfram Scheffbuch an, sowohl das Land als auch externe Fachleute zu befragen, immerhin sei das Land in der Sache „interessegeleitet“. Mangels Einigung wurde die Frage letztlich aber offen gelassen.
Zusätzlicher Sitz für Bürgerinitiativen
Dafür beschloss das Gremium seine Geschäftsordnung – allerdings mit einer Änderung zum Originalvorschlag des Umweltministeriums. So wurde mit neun Ja- und fünf Neinstimmen dem Antrag Scheffbuchs auf einen weiteren Sitz für den BBMN stattgegeben – womit Hans Heydemann neu in das Gremium einzog.
Als erste Sachinformation in der neu konstituierten Gruppe präsentierten die EnBW und das Umweltministerium, welche Schritte als Reaktion auf das Unglück in Fukushima im Kraftwerk Neckarwestheim unternommen wurden. Besonders sei untersucht worden, inwiefern ein solcher Unfall auch hier möglich sei. Das Fazit: die Anlage sei sehr sicher – hundertprozentige Sicherheit aber gebe es nicht.
Die nächste Sitzung soll am 13. Dezember stattfinden und die Erdbebensicherheit der Anlage thematisieren. In weiteren Treffen soll es unter anderem um den Zeitplan für den Rückbau gehen.
Kommentar: Ein Gast, der bestimmen will
Wenn die Informationskommission unabhängig sein soll, darf das Land keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Gremiums nehmen.Melanie Braun
Die Kontroverse ist programmiert: Kaum jemand wird erwartet haben, dass die Informationskommission zum Atomkraftwerk Neckarwestheim ein harmonisches Frage-und-Antwort-Spiel wird. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Beteiligten. Gerade das ist ja auch die einzige Chance dieser Einrichtung: Wenn überhaupt, dann können nur durch kritisches Hinterfragen neue Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.
Genau das hat ja auch der Umweltminister Franz Untersteller als Ziel ausgegeben: umfassende, transparente und bürgernahe Information. Gleichzeitig hieß es, das Land als Atomaufsicht und die EnBW als Betreiber der Anlage bekämen keinen Sitz in der Kommission, damit sich diese unabhängig auf Fragestellungen verständigen könne. Da verwundert es doch sehr, dass die Vertreter des Umweltministeriums in der Sitzung vehement versuchten, Einfluss zu nehmen: Mehrfach bezeichneten sie das Thema Kinderkrebsstudie als für das Gremium nicht relevant, obwohl mehrere Mitglieder sehr wohl Interesse daran bekundeten. Von externen Experten rieten sie ganz ab – wenn unbedingt nötig, sei man selbst Ansprechpartner, hieß es. Neutralität sieht anders aus. Wenn sich das Land schon selbst einen Gaststatus verleiht, sollte es sich auch entsprechend verhalten. Sonst ist es mit der viel beschworenen grünen Politik des Gehörtwerdens hier nicht weit her.