Der Energiekonzern sieht für Neckarwestheim I keine Zukunft mehr. Philippsburg I wird zumindest vorübergehend abgeschaltet.  

Neckarwestheim - Nach rund 35-jähriger Betriebsdauer wird der Atomreaktorblock Neckarwestheim I endgültig abgeschaltet. "Wir fahren unser Kernkraftwerk Neckarwestheim I ab", teilte der Versorger EnBW gestern in Karlsruhe mit. Angesichts der von den Aufsichtsbehörden geforderten sicherheitstechnischen Nachrüstung lohne sich trotz der seit Inbetriebnahme investierten 900 Millionen Euro ein dauerhafter Betrieb nicht mehr. Ein Wiederanfahren des Reaktors und dessen wirtschaftlicher Betrieb sei "nicht mehr darstellbar". Dieses Vorgehen werde der Vorstand mit dem Aufsichtsrat abstimmen, sagte ein EnBW-Sprecher. Nach einem entsprechenden Beschluss des Aufsichtsgremiums könne Neckarwestheim I "in Kürze" vom Netz genommen werden.

 

Wie aus internen Modellrechnungen hervorgeht, denen ein Großhandelspreis von 50 Euro pro Megawattstunde zugrunde liegt, kann die EnBW mit Neckarwestheim I nach StZ-Recherchen jährlich mindestens 85 Millionen Euro verdienen, von denen noch die Brennelementesteuer abzuziehen wäre. Aus dem Konzern ist zu hören, dass der Gewinn aus der Anlage in der Vergangenheit schon bis zu 120 Millionen Euro betragen hat.

Gewinn stammt zu 90 Prozent aus der Stromproduktion

Auch der von der EnBW am Rhein betriebene baden-württembergische Reaktor Philippsburg I - der zweite von insgesamt vier EnBW-Atomreaktoren - werde "in Kürze" abgeschaltet, sagte der Sprecher des Energieversorgers. Diese Abschaltung sei aber nur vorübergehend. Die Gewinnspanne der Anlage liegt den Modellrechnungen zufolge in einer ähnlichen Größenordnung wie bei Neckarwestheim I.

Mit den beiden Anlagen Neckarwestheim I und Philippsburg I gingen dem Land Baden-Württemberg mehr als 20 Prozent der Stromerzeugung verloren - eine Lücke, die mit einer Erhöhung des Importstromanteils von derzeit zehn Prozent geschlossen werden soll, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums in Stuttgart.

Die EnBW hat im vorigen Jahr einen Gewinn von 1,17 Milliarden Euro gemacht. Nach Brancheninformationen stammt der Gewinn zu 90 Prozent aus der Stromproduktion; davon wiederum entfallen 75 Prozent auf die Atommeiler.

Bei der EnBW werden die Konsequenzen für den Konzern unterdessen kleingeredet. Sie seien nicht "schwerwiegend", sagte ein Sprecher. Die EnBW erklärte weiter, das Abfahren der Anlage geschehe auch aus Respekt vor den offenkundigen Besorgnissen in der Bevölkerung, die sich auch im Willen der Politik widerspiegele. Konzernchef Hans-Peter Villis bot der Politik erneut einen offenen Dialog zur Zukunft der sogenannten Altanlagen an.

Betrieber wollen Ausgleichszahlungen

Hinter den Kulissen dürfte das Geschacher bereits groß sein. "Es geht ums Geld", sagte klipp und klar ein Beteiligter, der nicht genannt werden wollte. Kompromisse sollen her. "Alles was denkbar ist, ist möglich", lautet die Devise. Altmeiler könnten zum Beispiel komplett vom Netz gehen, auch wenn sie nicht von den Prüfern aussortiert werden. Allerdings wollen die Betreiber dafür einen Ausgleich haben. Klare Angaben zu finanziellen Auswirkungen einer Revision der vereinbarten Laufzeitverlängerung verweigern alle Konzerne, die von dem Abschalten der Atomanlagen betroffen sind.

Ein Sprecher des RWE-Konzerns teilte mit, dass der Block B des Atomkraftwerks Biblis in Hessen bereits wegen einer Revision abgeschaltet sei. So schnell wie möglich werde nun auch der Block A der Anlage vom Netz genommen, sagte er. Dazu müsse man aber noch mit Vertretern der Landesregierung in Wiesbaden sprechen. Bei Eon hieß es, der Konzern werde den Betrieb des Kraftwerks Isar I in Niederbayern für die Dauer des von der Bundesregierung angekündigten Moratoriums unterbrechen. Mit dieser Entscheidung wolle Eon eine "offene und kritische Bewertung" durch die zuständigen bayerischen Aufsichtsbehörden erleichtern, erklärte Vorstandschef Johannes Teyssen. Von dem Beschluss der Bundesregierung sei auch das Kraftwerk Unterweser im Landkreis Wesermarsch/Niedersachsen betroffen, sagte ein Sprecher. Eon nehme das zur Kenntnis und warte darauf, dass die Aufsichtsbehörde auf den Konzern zukomme. 

Seite 2: Kursstürze an der Börse

Deutschland Die Atomkatastrophe in Japan hat die Börsen weltweit abstürzen lassen. Hierzulande stürzte der Aktienmarkt zeitweise auf den tiefsten Stand seit Oktober 2010, in der Spitze verlor der Dax mehr als fünf Prozent. Treiber für den Kursrutsch waren die Aktien der Versorger. Eon und RWE verloren 2,8 und 3,6 Prozent.

Japan In Tokio versuchten Anleger in Panik scharenweise ihre Aktien loszuwerden – die Verkäufe lösten die größten Kursverluste seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zweieinhalb Jahren aus. Zeitweilig verlor der Leitindex mehr als 14 Prozent. Letztendlich rutsche der Nikkei-225-Index um 10,55 Prozent auf 8605,15 Punkte ab. Das war der größte Kursverlust seit Oktober 2008, kein einziger der Nikkei-Werte schloss im Plus. In Tokio kamen Aktien aller Branchen regelrecht unter die Räder, nachdem am Vortag unter anderem Bauwerte noch ein Kursplus verbucht hatten. Anlagen Vermeintlich sichere Anlagen waren von Anlegern begehrt. Sie flohen in deutsche und US-amerikanische Staatsanleihen. Auch am Devisenmarkt setzte eine Bewegung in „sichere Häfen“ wie den US-Dollar und den Schweizer Franken ein. Der Euro wurde belastet und gab zum Dollar zeitweise um mehr als einen Cent nach. Der Yen hält sich auf hohem Niveau. Am Aktienmarkt hätten Anleger fast alles verkauft, was sie in ihren Portfolios hatten, hieß es.