Vor 50 Jahren ist über der südlichen Küste Spaniens ein Flugzeug der US-Luftwaffe abgestürzt – es hatte vier Wasserstoffbomben an Bord. Keine der Bomben zündete. Dennoch leidet der Unglücksort bis heute unter den Folgen.

Es war die Zeit des Kalten Krieges. 1960 hatten die USA unter dem Codenamen Chrome Dome begonnen, mit einem Dutzend Atomwaffen-bestückter Bomber täglich rund um die Uhr mehrere Routen über der Nordhalbkugel abzufliegen. Eine davon führte mit Einwilligung des Franco-Regimes über Spanien.

 

Sieben Menschen starben

Das Unglück geschah am 17. Januar 1966 um 10.22 Uhr. Laut dem offiziellen Untersuchungsbericht kollidierte einer der Langstreckenbomber der US-Luftwaffe mit einem Tankflugzeug. Obwohl Hunderte Male trainiert, hatte sich der Bomber in 9450 Meter Höhe dem Rüssel unter dem Heck des Tankflugzeugs zu schnell genähert. Der Rüssel bohrte sich in die Tragflächenaufhängung der B-52. Die linke Tragfläche des Bombers riss ab, 150 000 Liter Kerosin strömten aus der fliegenden Tankstelle und fingen sofort Feuer. Die Maschine explodierte, alle vier Besatzungsmitglieder starben. Auch die B-52 stürzte ab; von den sieben Besatzungsmitgliedern konnten sich vier per Schleudersitz retten.

Die B-52 hatte vier Wasserstoffbomben vom Typ B28RI an Bord. Eine der Bomben blieb zunächst verschwunden. Man fand sie am 7. April 1966 mit Hilfe des Bergungs-U-Bootes DSV Alvin 869 Meter tief im Meer. Sie wurde unversehrt gehoben. Die anderen drei Bomben schlugen in dem andalusischen Dorf Palomares ein. Bei zweien explodierte der konventionelle Sprengsatz und ließ den Schutzmantel platzen.

Palomares wurde nicht evakuiert

Eine Wasserstoffbombe hat eine besonders hohe Sprengkraft, weil in ihr leichte Atomkerne zu schwereren verschmelzen, vergleichbar wie in der Sonne. Gezündet wird sie durch eine Kernspaltungsbombe mit Uran und Plutonium, und deren Zünder ist ein konventioneller Sprengsatz. In diesem Fall jedoch verhinderten Sicherheitsvorkehrungen die nukleare Zündung. Wenn bei einer ungeschärften Bombe die Explosion durch Feuer oder Aufschlag ausgelöst wird, kommt es zu keiner Kernspaltung; die spaltbaren Schwermetalle Uran 235 und Plutonium 239 werden durch Hitze und Druck pulverisiert. Eine hochgiftige und radioaktive Staubwolke verseuchte die Umgebung von Palomares, dennoch wurden die Menschen nicht evakuiert.

Wären die Bomben explodiert, wäre in einem Umkreis von 300 Kilometern jedes menschliche Leben vernichtet worden. Selbst in einem Radius von tausend Kilometern wären bis heute weite Landstriche zwischen Nordafrika und Südfrankreich atomar verstrahlt und unbewohnbar.

In Palomares selbst kam durch Trümmer unmittelbar niemand zu Schaden. Allerdings rief der Vorfall Proteste von Kernkraft- und Kernwaffengegnern hervor und führte zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten. Doch erst als im Januar 1968 ein weiterer Bomber nahe der Thule Airbase in Grönland abstürzte, stellten die USA die Operation Chrome Dome ein. Die Entscheidung fiel leicht, da durch land- und U-Boot-gestützte Interkontinentalraketen eine strategische Alternative bestand.

Niemand erklärte, was genau passiert war

Das Unglück löste bei den US-Streitkräften Großalarm aus. Schon bald kreuzten 33 US-Kriegsschiffe vor der Küste Südspaniens, ein Heer von US-Experten kam nach Andalusien. Die 1200 Einwohner erhielten den Rat, ihre Kleidung zu verbrennen, den Plutoniumstaub durch mehrfaches Duschen abzuwaschen und Urinproben abzugeben. Kühe und Schafe sollten ebenfalls gereinigt werden. US-Wissenschaftler stellten angeblich nur an der Schale der Gerste und an Tomatenblättern ungefährliche Plutoniumspuren fest. Deshalb wurden Melonen, Bohnen und selbst Tomaten weiter geerntet und auch ins europäische Ausland exportiert. Was die radioaktive Verseuchung bedeutete, erklärte niemand. Francos Regierungsapparat sorgte im Auftrag der Amerikaner für strikte Geheimhaltung und weitere Verschleierung. An einem kühlen Märzmittag badete Touristen- und Propagandaminister Manuel Fraga Iribarne mit dem spanischen US-Botschafter Angier Biddle Duke vor geladenen Journalisten im Meer.

Ein etwa 180 Hektar großes Gebiet in dem Fischerdorf war verseucht. 3000 US-Soldaten mussten eine sechs Zentimeter dicke Erdschicht abtragen. Etwa 1500 Tonnen radioaktiv verstrahlter Plantagenboden wurde nach South Carolina verschifft. 224 Hektar schwächer verseuchter Böden wurden mit Wasser besprengt, 30 Zentimeter tief umgepflügt und gegossen, damit sich das Plutonium gleichmäßig verteilte.

Der Abschlussbericht des US-Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 1975 blieb geheim. Erst 1985 erhielten Dorfbewohner Zugang zu ihren medizinischen Unterlagen. „Sie haben uns wie Versuchskaninchen gehalten“, sagt Antonia Flores, die als Kind das Unglück erlebte. 522 nachweisbar geschädigte Einwohner von Palomares wurden mit insgesamt 600 000 Dollar entschädigt. Für Ernteausfälle gewährten die USA eine Entschädigung im Wert von heute rund 1,7 Millionen Euro. Insgesamt soll der Unfall die Amerikaner 100 Millionen Dollar gekostet haben.

Die Strahlung ist heute noch erhöht

2004 offenbarten Messungen, dass die Radioaktivität in der Region immer noch hoch ist. Grundstücke wurden enteignet und Besitzer entschädigt. Im Oktober 2006 vereinbarten Spanien und die USA die vollständige Dekontaminierung des Geländes.

Im vergangenen Oktober unterzeichneten die Außenminister John Kerry und José Manuel García-Margallo eine Vereinbarung, in der beide Seiten verabredeten, möglichst bald ein verbindliches Abkommen zur Säuberung der Region rund um Palomares schließen zu wollen. Verseuchte Erde sollte abgetragen und in die USA verschifft werden. „Die USA werden ihrer Verantwortung nachkommen“, sagte Kerry. Fristen oder eine Kostenübernahme wurden in diesem Abkommen nicht erwähnt.