Jahrzehntelang ist die Zahl der Autos in Stuttgart fast durchweg gestiegen. Nun scheint der Höhepunkt erreicht. Für SUVs gilt das allerdings nicht. Deren Boom scheint ungebrochen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Die Zahl der in Stuttgart zugelassenen Pkw ist 2022 zum zweiten Mal in Folge gesunken. Etwas weniger als 297 000 Autos waren am 31. Dezember in Stuttgart zugelassen, drei Viertel davon auf Privatleute. 2020 waren es noch rund 6000 Fahrzeuge mehr. „Da die Stuttgarter Bevölkerung 2022 angewachsen ist, gibt es deutlich weniger Autos pro Einwohner“, schreibt die Stadtverwaltung in einer Pressemitteilung. Der sogenannte Motorisierungsgrad fiel auf rund 432 private Pkw je tausend erwachsene Einwohner (Vorjahr: 441).

 

Jüngere haben immer weniger Autos

Deutet sich in Stuttgart die Verkehrswende an? Zumindest bei den jüngeren Altersgruppen geht die Motorisierung deutlich zurück, wie der Vergleich mit dem Jahr 2010 zeigt: Bei den unter 60-Jährigen sei die Motorisierung „teilweise die geringste seit Beginn der Erfassung im Jahr 1992“, schreibt die Verwaltung in der Pressemitteilung weiter. Dass jüngere Generationen weniger autofixiert sind oder jedenfalls häufiger keinen eigenen Pkw haben, ist in Studien schon vor vielen Jahren erwartet worden. Bei den über 60-Jährigen hat die Motorisierung in den vergangenen zwölf Jahren dagegen deutlich zugelegt. Das macht den Rückgang in jüngeren Altersgruppen fast wieder wett.

Nur eine Delle?

Bundesweit zeigt sich bislang kein Trend zu weniger Pkw. Laut Kraftfahrt-Bundesamt ist die Gesamtzahl 2022 im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken, sondern gestiegen. Und auch für Stuttgart lassen die Daten aus der Pkw-Statistik an dem Bild von der Verkehrswende zweifeln. Vor allem zwei Dinge fallen auf: der zwischenzeitliche Rückgang der Motorisierung in den vergangenen Jahrzehnten und der Trend zu großen Fahrzeugen wie SUVs. Daten zu den zugelassenen Pkw in Stuttgart liegen öffentlich abrufbar für die Jahre seit 1970 vor. Damals wurden 170 000 Autos gezählt, heute fast 300 000.

Die Kurve zeigt eine nicht ganz stetige Zunahme der Pkw. Vielmehr gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Dellen, vor allem während wirtschaftlich schwieriger Zeiten – etwa infolge der Ölkrisen 1973 und 1979, nach der Rezession von 1993 sowie der Finanzkrise infolge der Lehman-Brothers-Pleite 2008. So gesehen kann der aktuelle Rückgang auch als Folge der Pandemie gelten, in der die Wirtschaftsleistung ebenfalls zurückging und etliche Stuttgarterinnen und Stuttgarter den Autokauf womöglich aufgeschoben haben.

Das Allzeithoch der privaten Motorisierung scheint in Stuttgart jedoch Anfang der 2000er Jahre zu liegen. Nicht ganz unerheblich ist, welche Art von Auto auf der Straße unterwegs ist. Hier haben sich die Gewichte in den vergangenen Jahren verschoben: weniger Mittelklasse, mehr SUV, Geländewagen und Utilities (Pick-ups). Solche Großfahrzeuge machen mittlerweile fast ein Fünftel des Bestands in Stuttgart aus.

Die rund 2800 angemeldeten Wohnwagen sind darin ebenfalls enthalten, haben aber angesichts von mittlerweile mehr als 26 000 SUVs, 22 000 Geländewagen und knapp 12 000 Utilities nur einen kleinen Anteil in dieser Kategorie.

Bei SUVs, Geländewagen und Pick-ups hält der Boom an und könnte sich den nächsten Monaten noch verstärken. Porsche und Audi wollen mit dem elektrischen Macan und dem Audi Q6 e-Tron elektrische Kompakt-SUVs an den Start bringen; Mercedes plant mit dem EQE SUV den Start eines weiteren großen Geländefahrzeugs. Im vergangenen Jahr überschritt der kombinierte Marktanteil der Geländewagen und SUVs in Deutschland bei den Neuzulassungen bereits die Marke von 40 Prozent.

26 000 SUVs, 22 000 Geländewagen, 12 000 Pick-ups

Der Anteil anderer Fahrzeugklassen ist weitgehend konstant. Die Fahrzeuge werden durch den SUV-Boom im Schnitt aber immer größer, eben weil vor allem Mittelklassewagen deutlich an Anteilen verloren haben. Unter „Sonstige“ sind in dem Schaubild Vans, Sportwagen sowie die sehr geringe Zahl unbestimmter Pkw zusammengefasst.

Eine Verkehrswende weg vom Auto ist in der Zulassungsstatistik also nicht wirklich zu erkennen. Die Antriebswende hin zu Elektroautos nimmt dagegen Fahrt auf – bei den gewerblichen Autos stärker als bei den privaten und vor allem in den wohlhabenden Stadtbezirken. In Wangen haben 4,6 Prozent der Kfz einen elektrischen Antrieb (inklusive Hybridfahrzeuge), in Nord 8,5 Prozent.

Neue SUV-Modelle heizen Boom an

Statt neue Autos zu kaufen, werden bestehende Fahrzeuge länger genutzt, Privat-Pkw in Stuttgart im Schnitt 11,3 Jahre – das ist ein halbes Jahr mehr als noch 2021. Zu den wichtigsten Gründen gehören die hohen Preise der Fahrzeuge und für Lebenshaltung. Das ergab im Januar eine repräsentative Befragung von 4600 Autohaltern und -käufern im Auftrag der Datenorganisation DAT. Auch die geringe Auswahl aufgrund der Lieferprobleme und die langen Lieferzeiten hielten viele vom Autokauf ab.