Zwischen dem VfB und den Kickers geht die Schere vor dem Stadtduell in Stuttgart am Sonntag (17 Uhr) im Gazi-Stadion immer weiter auseinander. Ein Vergleich.

Stuttgart - Für den VfB Stuttgart ist das Derby am Sonntag (17 Uhr) im Gazi-Stadion das erste Testspiel mit Blick auf die am 18. August beginnende neue Saison. Die Stuttgarter Kickers starten schon am 29. Juli in die Regionalligarunde und testen bereits das vierte Mal. Ansonsten ist der VfB dem drei Klassen tiefer spielenden Stadtrivalen in allen Belangen voraus.

 

Historie: Das letzte Punktspielderby bei den Aktiven datiert vom 2. Mai 1992. Damals schoss der VfB die Kickers durch ein 3:1 zurück in die zweite Liga – und holte selbst die deutsche Meisterschaft. Sehr viel hat nicht gefehlt, und in der Saison 2015/16 wäre es zu einem Derby in der zweiten Liga gekommen: Die Blauen schrammten in der Drittligasaison 2014/15 mit Platz vier haarscharf am Relegationsspiel vorbei, die Roten sicherten sich den Klassenverbleib in der Bundesliga erst am letzten Spieltag.

Fredi Bobic, für Blau und Rot am Ball und inzwischen Vorstand Sport bei Eintracht Frankfurt, hat die Derbys nur in der Jugend erlebt, sagt aber: „Das waren ganz heiße Kisten, sie haben uns regelrecht elektrisiert.“ Die Duelle mit Jens Keller, Marc Kienle oder Thomas Schneider wird Bobic nie vergessen: „Auf dem Platz ging es ordentlich zur Sache, doch außerhalb haben wir uns glänzend verstanden.“

Infrastruktur: Mit dem Gazi-Stadion auf der Waldau und seinen 11 468 Plätzen können die Kickers eigentlich prima leben. Aber eben nur eigentlich: „So schön die Haupttribüne ist. Mir blutet das Herz, wenn ich die unüberdachte Gegengerade sehe“, sagt der Aufsichtsrats-Vorsitzende Christian Dinkelacker. Damit man künftig die Fans nicht im Regen stehen lässt, gibt es eine Machbarkeitsstudie. Mehr bisher nicht. Das neue Dach in der Mercedes-Benz-Arena ist für den VfB kein Problem, die in die Jahre gekommene Membran wird gerade ersetzt. Kostenpunkt: Zehn Millionen Euro. Bis zum Saisonstart soll alles fertig sein. Mit seiner Spielstätte befindet sich der Aufsteiger auf der Höhe der Zeit. Anders mit seinem Trainingsgelände. Hier liegt beim Bundesliga-Rückkehrer einiges im Argen. Fünf Millionen Euro nimmt er aktuell in die Hand, um die Trainingsplätze fit für die Zukunft zu machen.

Unterbau: Der VfB setzt nach wie vor auf seine zweite Mannschaft, die von 2009 bis 2012 (damals in der dritten Liga) sogar eine Klasse höher spielte als die Erste der Kickers. Inzwischen tritt der VfB II im zweiten Jahre in der Regionalliga an, die Blauen haben ihr Reserveteam aus der Oberliga aus finanziellen Gründen abgemeldet. Die A- und B-Junioren des VfB spielen Bundesliga, die Kickers-A-Jugend stieg in die Oberliga ab, die B-Junioren konnten sich in der Bundesliga halten. „Der Nachwuchs muss unsere Zukunft sein“, sagt Dinkelacker. So ähnlich sieht man es auch in Bad Cannstatt. „Uns kommt es darauf an, junge Spieler nicht nur spielerisch, sondern auch persönlich weiter zu entwickeln“, sagt der neue Nachwuchs-Mentor Thomas Hitzlsperger mit Blick auf die fortschreitende Kapitalisierung im Profi-Fußball.

Finanzen: Dem VfB bieten sich durch die Ausgliederung neue Möglichkeiten, die Kickers mussten ihr Budget weiter nach unten schrauben. Der Etat für die Mannschaft in der kommenden Regionalligasaison liegt bei knapp 1,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der VfB erhält allein durch den ersten Schritt der Ausgliederung von Investor Daimler 41,5 Millionen. „Die Nichtqualifikation für den DFB-Pokal hat uns schwer zurückgeworfen“, sagt Dinkelacker.

Saisonziel: Die Kickers wollen eine bessere und ruhigere Runde spielen, als dies in der abgelaufenen Saison der Fall war. Erst am letzten Spieltag konnte der Klassenverbleib auf Platz 13 gesichert werden. „Die neue Saison wird extrem schwer. Wir tun gut daran, demütig zu sein,“ sagt Dinkelacker. Der VfB kennt als Aufsteiger nur ein Ziel: Nicht wieder abzusteigen.

Perspektive: VfB-Clubchef Wolfgang Dietrichs Vision lautet, in drei bis vier Jahren wieder zum oberen Drittel der Beletage zu gehören. Für die Kickers kann die vierte Liga auf Dauer nicht der Anspruch sein, zumal die Blauen diese Spielklasse unter professionellen Bedingungen nicht noch jahrelang anbieten können. Andererseits ist es in keiner anderen Liga so schwer hoch zu kommen – es gibt keinen Direktaufsteiger.

Derby: Für beide Mannschaften hat das Spiel einen besonderen Reiz, „schon allein deshalb, weil meine Schwiegereltern große VfB-Fans sind“, wie der Kickers-Stürmer Mijo Tunjic betont. „Wir werden natürlich alles dafür tun, nicht hoch zu verlieren und uns gut aus der Affäre zu ziehen.“ David Müller (von 2009 bis 2011 beim VfB am Ball) ergänzt: „Man sollte das Ergebnis nicht überbewerten.“ So sieht es auf der Gegenseite auch Jens Grahl, der Ersatztorwart des VfB, der wohl zum Zuge kommen wird, nachdem Stammkeeper Mitch Langerak noch Urlaub hat: „Natürlich muss ich mich bei jeder Chance beweisen, so gesehen ist das für mich ein wichtiger Test.“