Die Stuttgarter Kickers starten am 26. Juli in die neue Saison der dritten Fußball-Liga – beim Aufstiegsanwärter Wehen Wiesbaden. Bis dahin soll auch der Vertrag mit Kickers-Trainer Horst Steffen verlängert sein.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Horst Steffen gönnt seiner Mannschaft keine Pause. Zumindest nicht im Training. Am Mittwochvormittag ließ er statt der geplanten zweimal 15 bis 20 Minuten kurzerhand einfach durchspielen, 35 Minuten am Stück. Das Gute daran: irgendwie haben die Spieler gar nicht bemerkt, dass die Pause gefehlt hat. Was das aussagt, das erklärt Steffen: „Wir sind gut drauf!“

 

Und diese Erkenntnis kann ja nichts schaden acht Tage vor dem Start in die dritte Fußballliga, mit dem Mammutprogramm von 38 Spielen, drei englischen Wochen in der Anfangsphase inklusive; hinzu kommt noch der WFV-Pokal, eigentlich ein lästiges Übel, aber mit großer Wirkung – wie man gesehen hat. Der Einzug in den DFB-Pokal bescherte Borussia Dortmund als Gast. „Ein Höhepunkt, den sich die Spieler verdient haben“, sagt Steffen. Alles zu seiner Zeit, am 16. August.

Zunächst einmal hat die Liga aber Vorrang. Am Samstag in einer Woche geht es zum SV Wehen Wiesbaden, eine echte Standortbestimmung für die Blauen zum Einstand. „Die haben sich nochmals verstärkt“, sagt der Kickers-Trainer, „und gehören als Tabellenvierter der Vorsaison somit zu den Aufstiegsanwärtern.“

Bei der eigenen Mannschaft gibt sich der 45-Jährige nicht ganz so forsch, einen konkreten Tabellenplatz als Zielvorgabe meidet er wie Berlins Bürgermeister einen Fertigstellungstermin für den Flughafen, aber immerhin gibt Steffen zu: „Wir haben eine tolle Rückrunde gespielt – und wollen uns natürlich nicht verschlechtern.“

Aufstiegshoffnungen blühen

Zur Erinnerung: die vergangene Runde beendeten die Blauen als Achter. Diese Saison fehlen solch ambitionierte Konkurrenten wie zuletzt Heidenheim oder Leipzig, so dass im Hinterkopf durchaus Aufstiegshoffungen blühen können. Ein Vorteil dürfte dabei sein, dass die Kickers weitgehend auf den vorhanden Kader bauen, der bereits seit Steffens Ankunft vergangenen Herbst mit fünf Mann verstärkt worden war – und jetzt nur noch eine gewisse Blutauffrischung bekam: durch den Torwart Kevin Müller, der sich mit Mark-Patrick Redl ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert, den Abwehrspieler Hendrik Starostzik (VfL Bochum II) und Besar Halimi vom VfB II, nicht zu vergessen die Eigengewächse Gaiser und Kaiser, „die in der Vorbereitung durchaus Ansprüche angemeldet haben“, so Steffen. Auf Drittligaeinsätze.

Der Trainer ist auch überzeugt: „Wir brauchen gerade in der Anfangsphase mit den englischen Wochen sämtliche Spieler.“ Den einen mehr, den anderen weniger. Schließlich kann es noch etwas dauern bis alle das neue Spielsystem verinnerlicht haben. Das ist ein in der Vorbereitung konsequent durchgetaktetes 4-3-3, das bei eigenem Ballbesitz in ein 3-4-3 wechselt, bei dem die beiden Außenverteidiger offensiv werden und sich ein Defensivspieler aus dem Mittelfeld zurückfallen lässt. Aus der Wunschformation kann das ein Sandrino Braun, Enzo Marchese aber auch Halimi sein, der das gegen den FC St. Gallen gut gemacht habe, als gelernter Offensivspieler.

Die Testgegner waren (gewollt) überwiegend starke Kontrahenten, Niederlagen ließen sich (ungewollt) nicht ganz vermeiden. „Einig Abläufe müssen wir noch besser hinkriegen“, sagt Steffen. Als da wären: wer, wann, wo verteidigt; und im Aufbau die Ruhe bewahren; oder im Abschluss noch präziser werden. Wobei wie immer im Fußball gilt: wichtig ist schon mal, dass man sich die Chancen erspielt.

Neue Taktik erfordert Flexibilität

Der einzige Wermutstropfen bei den Kickers momentan: Marco Calamita fällt wegen einer Knieverletzung bis zum Saisonstart definitiv aus, danach wird es wohl nochmal bis zu einem Monat dauern, ehe Calamita einsatzfähig ist. „Das trifft uns“, sagt Steffen, unabhängig davon, ob er nun vorne oder auch hinten auf der Außenbahn eingesetzt würde.

Eine gewisse Flexibilität erfordert die neue Taktik von den Spielern schon, „aber der Glaube der Mannschaft ist inzwischen da“, sagt Steffen, auch wenn speziell zu Saisonbeginn möglicherweise Rückschläge einkalkuliert werden müssen. „Dann wird sich zeigen, ob der Teamgeist stimmt“, meint Steffen. Aktuell tut er das, was in der Phase, in der alle Akteure um einen Stammplatz kämpfen, aber eher normal ist. Abwarten, wie die Reaktion aussieht, wenn einer auf der Tribüne sitzt.

Beispielsweise im Stadion an der Kreuzeiche in Reutlingen, wo die Mannschaft mit ihren „Heimspielen“ ins kalte Wasser geworfen wird, weil kein Vorbereitungsspiel dort möglich war. „Das nehmen wir, wie’s kommt“, sagt der Trainer. Die Rahmenbedingungen stimmen. Die Mannschaft ist fit, was Zahlen belegen. Sämtliche Messwerte – etwa beim Laktattest – haben sich bei allen Profis verbessert, die Wunschspieler wurden gehalten, „auch wenn wir da was drauflegen mussten“ (Steffen) – und auch der Trainer steht nicht vor dem Absprung. Im Gegenteil. Steffens Vertragverlängerung steht unmittelbar bevor, um ein Jahr bis 2016. Was nicht heißt, dass er sich danach bei den Kickers zwingend eine Pause gönnt.