Oldies, but Goldies: die britische Sängerin Kim Wilde hat im Theaterhaus ihr neues Album vorgestellt – und natürlich auch ihre alten Hits feiern lassen.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Als letztes Lied spielt Kim Wilde „Kids in America“, einen ihrer größten Hits. Genauer: ihren ersten. Und da wird einem wieder offenbar, wie die Zeit rast. Das Lied erschien im Januar 1981, also vor 37 Jahren. Kim Wilde, damals zwanzig Lenze alt, wird demnächst 58. Und das Publikum im am Mittwochabend bestens gefüllten großen Saal des Theaterhauses war damals in jenem Alter, in dem die ersten Jugenddiscoabende anstanden und den Fernsehnachmittagen mit „Formel 1“ und „Ronny’s Popshow“ entgegen gefiebert wurde. Jetzt wirkt es im Theaterhaus, als sei man auf einer Ü45-Party; die jüngste Dame im Saal ist vermutlich die Backgroundsängerin auf der Bühne.

 

Es ist die Nichte von Kim Wilde, sie darf die Popveteranin stimmlich unterstützen, wobei sie dies nur dezent tut, weil Kim Wildes eigene Singstimme massive gesangliche Unterfütterung gar nicht nötig hat. Die Frau aus dem Londoner Vorort Chiswick (offenbar ein goldenes Pflaster für Musiker, auch Pete Townshend und Phil Collins sind dort geboren) singt noch immer erstaunlich voluminös und ohne Abnutzungserscheinungen. Viel Frischluft und gelegentliche Auszeiten – die gelernte Landschaftsgärtnerin moderierte viele Jahre lang Gartensendungen im Fernsehen – scheinen offenbar gutzutun.

Die halbe Familie ist dabei

Kim Wilde reist allerdings mit einem halben Familienbetrieb an. Ebenfalls dabei ist als Gitarrist ihr Bruder Ricky Wilde, einer ihrer Songschreiber und der Produzent des aktuellen Albums „Here come the Aliens“. Er fungiert auf der Bühne als eine Art Musical Director, er zieht die Fäden und hat eine donnernde Remixversion des Albumtracks „Cyber Nation War“ eingespielt, die er und seine Schwester auch im Theaterhaus präsentieren. Und damit es auf der Bühne ordentlich voll wird, finden sich dort neben den drei Familienmitgliedern noch ein weiterer Gitarrist, ein Keyboarder, ein Bassist sowie zwei (!) Schlagzeuger. Das ist eine mehr als üppige Besetzung, die gehörigen Druck macht. In ordentlicher Lautstärke legt die Band ein Fundament, das weit rockiger klingt als die seinerzeit sehr keyboardgeprägt instrumentierten Kim-Wilde-Hits.

Dem Sound tut das gut, er ist kräftig und doch noch hinreichend unverkennbar, denn Unverkennbares gibt es reichlich zu hören. Kim Wilde setzt auf die sattsam bekannte Konzertdramaturgie, mit einem Song vom neuen Album zu eröffnen, im weiteren Verlauf noch mehr davon vorzustellen – sie bringt neun der zwölf Stücke – und das Ganze mit einem Schuss älterem Repertoire anzureichern, dazwischen hübsch eingestreut alle großen Hits. Und so kommen „Never trust a Stranger“ gleich als drittes Lied, „Cambodia“ als fünftes und zum Abschied vor den Zugaben in geballter Reihenfolge „View from a Bridge“, „Chequered Love“, „You came“ und „You keep me hanging on“.

Kim Wilde leistet sich dabei sogar den Luxus, den in diesem Reigen noch fehlenden Kracher „The second Time“ auszulassen, was schade ist, denn die ruppige Metrik und schroffe Anlage des Songs hätte mit der vorhandenen Instrumentierung bestimmt reizvoll geklungen.

Sie kann sogar einige Hits auslassen

Dazu gibt sich Kim Wilde in ihren Ansagen entspannt und leutselig. „Sie sei ja selbst keine zwanzig mehr“, sagt sie kokett, aber es mache ihr immer noch Spaß, die alten Sachen zu spielen, und deshalb gehe es nicht nur mit dem Leben, sondern auch mit dem Tourzirkus bei ihr immer weiter. Das klingt etwas handzahm, und so ist es auch: musikalische Innovationen werden ebenso wenig wie ausgeprägtes Virtuosentum oder kühne Experimente geboten.

Aber deshalb ist auch keiner der Zuschauer gekommen. Hier zählt nichts als pure Wiedersehens- und Wiederhörensfreude, die Erinnerung an selige Jugendzeiten. Dass die alten Kracher auch vier Dekaden später noch immer funktionieren, zeugt auf jeden Fall von ihrer zeitlosen Güte. Das kann nicht jeder Musiker von seinem Oeuvre behaupten.