Waldheimkinder sind Zeuge eines schrecklichen Mordes geworden. Wie sollten sich Eltern jetzt verhalten? Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Günter rät, sich immer wieder als Gesprächspartner anzubieten, aber keinen Druck auszuüben.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Waldheimkinder sind Zeuge eines Mordes geworden. Das Waldheim läuft weiter, begleitet das Geschehene aber pädagogisch und seelsorgerisch – diese Vorgehensweise sei genau richtig, meint der Ärztliche Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums, Michael Günter. Es sei gut für die Kinder, sich in der Gemeinschaft gegenseitig Halt zu geben.

 

Doch wie sollten sich die Eltern der Kinder jetzt verhalten? Günter rät, einmal am Tag von sich aus zu fragen, wie es dem Kind geht mit der Geschichte, sich immer wieder anzubieten. Auch nachts sollte man aufmerksam verfolgen, ob es Albträume hat – und es darauf ansprechen, sollte dem so sein. Wichtig sei aber, ein Gespräch nicht zu erzwingen, das Kind nicht zu drängen. Auch Geduld sollte man haben. „Das wird die nächsten Wochen noch Thema sein, unter Umständen auch später, zum Beispiel, wenn das nächste Waldheim ansteht“, sagt er. Wenn Kinder nun Angst haben, mit dem Bus zu fahren, sei das verständlich. Die Eltern könnten sich anbieten, das Kind im Bus zu begleiten, schlägt er vor. Aber auch da gelte: „Man muss es auch nicht erzwingen.“

Psyche der 15-jährigen Betreuer durch die Verantwortung geschützt

Insgesamt verarbeiteten Kinder traumatisierende Ereignisse sehr unterschiedlich. „Die meisten Kinder verkraften das relativ gut“, sagt Günter. Nicht ungewöhnlich sei, dass man einem Kind zunächst nichts anmerke. „Wenn jemand ruhig und normal wirkt, heißt das aber nicht, dass es verarbeitet ist“, stellt er klar.

Auch professionelle Hilfe eines Kinder- und Jugendpsychiaters könne angezeigt sein. Bei Kindern mit Vorbelastung, die schon eine Angstbelastung haben, könne dieses Erlebnis der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringe, so Günter. Was die 15-jährigen Betreuer aus dem Bus angeht, glaubt er, dass diese „ein bisschen geschützt“ gewesen seien durch die Verantwortung, die sie getragen haben. „Das macht einen stark“, sagt Günter.

Mit dem schrecklichen Video ist das Kind alleine

Kritisch sieht er den Umstand, dass Videos von dem Mordfall massiv über soziale Netzwerke geteilt worden sind – auch an Kinder und Jugendliche. Günter betrachtet diese „Verrohung der Sitten“ mit Sorge. „Diese realen Brutalitäten können Kinder sehr beeinträchtigen“, sagt er. „Für einzelne Kinder ist das schädigend.“ Das Umfeld bekomme es zudem in der Regel nicht mit, wenn das eigene Kind sich ein solches Video ansieht. Dann sei dieses mit dem Gesehenen alleine.