Die Zahl der Kinder, die Diabetes haben, steigt. Gerade zu Beginn der Schulzeit benötigen die Jungen und Mädchen Assistenz. Das ist nicht immer leicht zu organisieren. Dies zeigt auch ein Beispiel aus Stuttgart.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Immer dieser Durst. Sogar nachts ist Manuel mehrfach aufgestanden, um zu trinken. Er war blass, verlor an Gewicht, wirkte teilweise orientierungslos. „Mir war klar, da stimmt was nicht“, erzählt seine Mutter, Karin Bauer, die auch einen Verdacht hatte. So machte sie einen Diabetes-Test bei ihrem damals vier Jahre alten Sohn. Manuels Wert sei über 600 gewesen – normal ist ein Wert um die 100. In der Kinderklinik in Esslingen kam dann die Bestätigung: Manuel hat Diabetes Typ 1. „Bei uns in der Familie hatte das vorher niemand“, sagt Manuels Vater, Jürgen Bauer.

 

Heute ist Manuel sechs Jahre alt und geht selbstverständlich mit seiner Krankheit um. Wenn er etwas Süßes essen will, fragt er bei jedem Gummibärchen. Seine Eltern können sich auf ihn verlassen. Wenn er sich viel bewegt hat, dann weiß er, dass er mehr Insulin braucht. An der Pumpe ist ein Schlauch, der über einen Katheter in den Bauch führt. Per Knopfdruck kann er die Insulinpumpe bedienen.

Einen passenden Helfer zu finden, ist schwierig

Der Alltag ist dennoch schwieriger geworden, seit der Junge nicht mehr im Kindergarten ist. In der Kita übernehmen in der Regel die Erzieherinnen die Insulinabgabe, Lehrer sind dafür aber nicht zuständig. Für die betroffenen Familien ist das gerade zu Beginn der Schulzeit eine große Umstellung, weil die Kinder schnell selbstständig werden müssen. Viele Eltern seien daher sehr unruhig, wenn es um das Thema Schule gehe, berichtet Christine Jung von der Schule für Kranke des Stuttgarter Klinikums, die Kurse anbietet.

Ihre Erfahrung und die von Petra Beißwenger von der Stuttgarter Diabetes-Initiative ist, dass die Kinder das hinbekommen, wenn sie dabei begleitet werden. Eine Person für die Assistenz zu finden, die auch passt, sei aber oft schwierig, sagen beide. Petra Beißwenger hat sogar von Einzelfällen gehört, bei denen die Eltern aufgefordert worden sind, eine FSJ-Kraft zu suchen. Für sie ist das ein Indiz dafür, dass es im Zuge der Inklusion mehr Konkurrenz um Kräfte gibt. Die Leiterin des Schulverwaltungsamts, Karin Korn, hat aber keine entsprechende Rückmeldung aus ihrem Haus bekommen, dass Angebot und Nachfrage nicht mehr stimmen würden.

Eltern sind hartnäckig: Einschulung klappt

Auch in Manuels Fall gab es Probleme. Kurzzeitig schien es, als wäre sogar seine Einschulung gefährdet. Kurz vor Beginn der Sommerferien hatte das Schulverwaltungsamt den Eltern mitgeteilt, dass man „leider keine FSJ-Kraft für die Betreuung in der Schulzeit zur Verfügung stellen“ könne. Dabei war beim sogenannten Hilfeplangespräch im April festgehalten worden, dass Manuel eine Assistenzkraft benötigt – und für die Uhlbacher Grundschule war die Assistenz Aufnahmebedingung. Doch FSJ-Kräfte dürfen in der Regel keine Medikamente verabreichen – Letzteres ist in diesem Fall das Problem gewesen. „Falls Sie jemanden finden, der die Betreuung übernimmt, sind wir bereit, einen Honorarvertrag (. . .) zu schließen (Stundensatz: 13,39 Euro)“, schrieb das Amt damals. Für die Eltern war das ein Schock.

Dass die Einschulung an der Wunschschule doch geklappt hat, liegt auch an der Hartnäckigkeit der Eltern. Karin Bauer konnte einen Träger, der schon abgesagt hatte, überzeugen, doch eine Assistenz zu stellen. Die ausgehandelte Bedingung: der FSJler bedient die Pumpe nicht, sondern beobachtet und überwacht Manuel dabei. In den ersten Schulwochen war die Mutter sicherheitshalber mit im Unterricht. Das ist mittlerweile nicht mehr nötig.

Manuel misst seinen Blutzucker selbst, gibt die Werte in die Insulinpumpe ein – da es sich um zwei- und dreistellige Zahlen handelt, ist das eine Leistung. Der FSJler wiederum achtet darauf, dass dem Jungen kein Zahlendreher unterläuft. Es darf nicht passieren, dass aus einer 106 (ein guter Blutzucker) eine 160 wird (hoher Wert). Per Knopfdruck spritzt Manuel sich das Insulin selbst. Wichtig sei, dass die Assistenz den Jungen genau beobachtet und abschätzt, wie viel er sich bewegt hat, erklären die Eltern. Denn die Körperwahrnehmung von Kindern ist in dem Alter noch nicht so ausgeprägt. Ist der Junge blass und träge, ist das ein Hinweis auf Unterzucker – das Gegenteil gilt, wenn er zappelig wird.

Anweisungen über Handy

Auch beim Essen muss der FSJler, der eine Diabetes-Schulung erhalten hat, aufpassen. Karin Bauer schreibt zwar zu jedem Lebensmittel in der Vesperbox dazu, wie viele Broteinheiten es hat, aber entscheidend ist, wie viel er isst. Schafft er das ganze Brötchen, muss Manuel mehr spritzen, als wenn die Hälfte noch übrig ist. In der Praxis benötigt der FSJler Unterstützung: „Ich gebe übers Handy Anweisungen“, berichtet Karin Bauer. Per WhatsApp erfährt sie die Werte, was Manuel gegessen und wie viel er sich bewegt hat. Sie erinnert, wenn der Wert hoch war, eine halbe Stunde später, wieder zu messen.

In der Schule ist man zufrieden. „Die FSJ-Kraft ist durchgehend da, das ist eine große Entlastung“, sagt die Direktorin, Eve-Marie Hörtig, die Manuels Klassenlehrerin ist. Es laufe inzwischen richtig gut.