Reportage: Robin Szuttor (szu)


Was man nicht verstehe, werde nach hinten geschoben. Aber irgendwann drücke es wieder vor. "Wir müssen Kindern alles ehrlich erklären", sagt Gabriele Schmidt-Klering. Die Bilder, die sie sich in ihren Köpfen zusammenbasteln, seien oft schlimmer als die Wirklichkeit. Kinder merkten, wenn jemand dichtmacht. "Und halbe Wahrheiten helfen ihnen nicht." Sie erlebte einen Jungen, der vor lauter Angst nicht mehr aufzuwachen abends nicht mehr ins Bett gehen wollte. Die Verwandtschaft hatte erklärt: Mama ist eingeschlafen. "Kinder verstehen, dass ein Mensch, der tot ist, nicht mehr atmet und dass sein Herz nicht mehr schlägt", sagt Gabriele Schmidt-Klering.

Die Kinder verarbeiten ihre Trauer mit Malen und Schreiben


Was kommt danach? "Ich denke, es kommt was Gutes, und so sag ich das auch." Gott lässt sie aus dem Spiel. Doch Kinder haben da eh schon ihre klare Vorstellungen. Ein Neunjähriger zeichnete Hölle und Himmel: Blitze, Hilferufe und der Teufelsreiter auf der einen Seite, Wolken und einen lachenden, knallgelben Gott auf der anderen. Ein zwölfjähriges Mädchen malte seine Fantasie in dezenteren Farben: Seelen, die durch eine Tür in den Himmel wandern, aber auch jederzeit wieder zurückkommen können. Wahrscheinlich weiß sie es besser als die Erwachsenen.

"Könnt ihr euch an ein Gefühl erinnern, das richtig super war?", fragt Gabriele Schmidt-Klering in die Runde. "In der Schweiz, mit Mama und Papa, ganz hoch auf dem Berg", sagt Martin. "Da waren gar keine Bäume mehr", sagt sein Bruder. "Malt das doch", sagt die Erzieherin. Es beginnt ein eifriges Holzstiftgestrichel in den noch jungfräulichen Erinnerungsheften der Zwillinge. Antonia hat in den vergangenen Jahren schon drei Stück davon voll geschrieben, gemalt, geklebt. Darin stehen kleine Aufsätze unter Überschriften wie "Was ich dir noch sagen wollte" - "Was ich an dir mochte" - "Was nicht so toll war". Darin sind Mandalas und Bilder aus Katalogen, bei denen sie an ihren Vater denken muss. Lukas hat ein Bild vom Eiffelturm für sein Erinnerungsheft ausgeschnitten, weil sein Onkel oft auf Montage war. Kevin hat ein großes Bierglas gemalt. Mit Schaumkrone und der Aufschrift "Bitburger".

Wasserpfützen auf dem Linoleum. Beim Filzen werden erste Bande mit den Neuen geknüpft. Die Mädchen machen den Anfang: "Wer ist denn der ältere von euch beiden?", fragt Nadja. - "Ich, zwei Minuten", sagt Michael. "Und unsere Mama hat morgen Geburtstag", sagt Martin. - "Dann könnt ihr die Filzkugel doch für sie machen", sagt Nicole. - "Au ja."

Hier gibt es keinen, der beim Trösten das Falsche sagt


Zeit heilt keine Wunden. Nicht bei Kindern. Sie trauern anders. "Es ist wie ein Hinein- und Hinausschlüpfen aus der Trauer", sagt Gabriele Schmidt-Klering. Ausgelassenheit kann schnell wechseln mit Verzweiflung und Wut. "Pubertierende trifft es besonders hart. Ihre Gefühlsschwankungen sind für Eltern fast unerträglich." Kinder brauchten die Begegnung mit anderen Kindern, die gleiche Erfahrungen machten. Und das Gefühl, Spaß haben zu dürfen. Basteln, malen, schreiben, töpfern, herumtollen, Ausflüge: für Antonia und die anderen ist das Trauerarbeit.