Landauf, landab fehlen Kita-Fachkräfte. Bei der Akquise von Personal stehen die Kommunen dabei häufig in Konkurrenz. Der Kern des Problems liegt aber tiefer.

Verkürzte Betreuungszeiten, sogar geschlossene Gruppen: Fachpersonal in Kindergärten und Kindertagesstätten wird immer mehr zum raren Gut. Laut dem baden-württembergischen Städtetag fehlen im Bundesland bis 2030 rund 40 000 Erzieherinnen und Erzieher. Und auch im Altkreis Leonberg haben die Kommunen mit vielen unbesetzten Stellen zu kämpfen. Wo es nicht gelingt, neues Personal zu finden, muss das Betreuungsangebot stellenweise eingeschränkt werden – ganz zu Lasten der Eltern.

 

Kommunen kämpfen um wenige Fachkräfte

Etwa in Weissach: Dort mussten laut Lisa Rill, Sachgebietsleiterin für Kinder, Jugend und Familie, die Öffnungszeiten mehrerer Kitas in den vergangenen Wochen temporär angepasst und teilweise reduziert werden. Bei einer Häufung von Personalausfällen waren sogar einzelne ganztägige Schließungen erforderlich. „Wir befinden uns derzeit im Aufstieg auf die Spitze des Eisbergs. Das ist erschreckend“, so Rill. Der Markt an pädagogischen Fachkräften sei leer gefegt – so sehr, dass mehrere Kommunen und Kindergärten um eine einzige Erziehungskraft konkurrieren würden.

Diese Beobachtung macht auch Gisela Geiger, die in Ditzingen das Amt für Jugend, Bildung und Betreuung leitet. Die Lage in der großen Kreisstadt beschreibt sie als verheerend. „Wir versuchen Einschränkungen zu vermeiden“, so Geiger. „Aber manchmal geht es nicht anders.“ Weil nicht genug Betreuungspersonal da ist, bleiben in Ditzingen aktuell rund 100 Kitaplätze frei, etwa 15 Stellen sind zumindest aktuell unbesetzt. Viel Energie wird deshalb auch hier in die Akquise von Personal gesteckt. „Jede Kommune versucht, sich selbst attraktiver zu machen“, sagt Geiger. „Dabei schiebt man die Lücke aber nur von einer Kommune zur nächsten.“

Ganztagesbetreuung immer beliebter

Verstärkt wird der Fachkräftemangel durch eine ganze Reihe von veränderten Gegebenheiten. So sind etwa Ganztagesplätze bei jungen Familien, in denen beide Elternteile arbeiten, immer gefragter – bei den Erzieherinnen und Erziehern aber wesentlich unbeliebter und damit schwieriger zu besetzen. Die Träger von Kindertageseinrichtungen bringt das schon jetzt häufig in prekäre Situationen. In Weil der Stadt etwa musste vor wenigen Monaten eine Kita deshalb die Nachmittagsbetreuung streichen. In Renningen beschäftigte man sich erst jüngst mit einer möglichen Reduzierung der Öffnungszeiten im September.

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Bemerkbar gemacht hat sich der Fachkräftemangel auch in Leonberg. Hier mussten in den vergangenen Wochen und Monaten ebenfalls punktuell Betreuungszeiten gekürzt werden. Für die Eltern sei das natürlich immer schwierig, sagt Gabriele Schmauder, Leiterin des Amtes für Jugend und Soziales. Deshalb schaue man sich einzelne Fälle immer genau an und überlege, ob man zunächst anderweitig reagieren kann – etwa, indem Fachkräfte aus anderen Einrichtungen kurzfristig einspringen. „In Leonberg konnten wir die Situation so noch lange abfangen“, so Gabriele Schmauder. „Aber langsam wird es eng.“

Kommunen können nur an Symptomen arbeiten

Was tun? Die Kommunen im Altkreis setzen besonders auf verschiedene Ausbildungsmodelle, etwa nach Pia-Modell – einer praxisintegrierten Ausbildung. Auch Quereinsteiger werden vielerorts gefördert. In Leonberg etwa dürfen auch Verwaltungsmitarbeiter inzwischen bei der administrativen Leitung der Einrichtung unterstützen. Um Personal für die Ganztagesbetreuung zu locken, habe man sich laut Schmauder vom Gemeinderat außerdem eine Gehaltszulage gewähren lassen. Weissach setzt auf großflächige Werbung und Betreuungsangebote für Erziehungskräfte, verteilt Gutscheinkarten für Mitarbeiter im Ganztagsbereich und sucht mit „Exit-Gesprächen“ nach Verbesserungsmöglichkeiten.

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Mit solchen Maßnahmen lindern Kommunen zwar die Symptome – die Krankheit heilen können sie damit aber nicht. „Das ist ein absolut überregionales Problem“, weiß auch die Leonberger Sozialamtsleiterin Schmauder. „Und wir wissen schon seit einigen Jahren, dass das auf uns zukommt.“ Der Kern des Problems liegt für sie bereits in der Ausbildung, weil es an den Fachhochschulen einfach zu wenig Ausbilder gebe. „Da fängt es an.“ Und auch, wenn sich in Sachen Bezahlung in den vergangenen Jahren schon einiges getan habe: „Die Diskussion wird es weiterhin geben.“

Nicht überall ist es schlecht

Um die Situation zumindest zu entschärfen, hatte der Städtetag erst vor wenigen Monaten gefordert, Personalschlüssel oder die Obergrenzen für Kitagruppen zu lockern. Maßnahmen wie diese sind aber auch kein Allheilmittel. Nicht nur die Qualität der Betreuung könne dadurch abnehmen. Auch die Fachkräfte vor Ort könnten sich dadurch weniger wohlfühlen und gegebenenfalls die Stelle wechseln, fürchtet Catharina Vögele, die in Korntal-Münchingen den Fachbereich für Familie, Bildung und Soziales leitet. „Die Rahmenbedingungen vor Ort haben einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter“, mahnt sie. Immerhin: Nicht überall ist die Situation brenzlig. „Ganz gut“ stehe man in Hemmingen da, sagt Bürgermeister Thomas Schäfer. Fluktuationen beim Personal gebe es zwar, das Betreuungsangebot einschränken musste man aber noch nicht. Woran das liegt, kann Schäfer nicht sagen. „Ich glaube, dass unsere Mitarbeiter mit ihrem Träger zufrieden sind und das auch streuen. Aber wir haben eigentlich keine Bedingungen, die uns von anderen Kommunen unterscheiden.“

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