Das Stadt bestätigt, dass es Verzögerungen gibt. Für die Tagesmütter kann das existenzbedrohend sein.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Dachswald - Für seine Familie sind die Dachswald-Kids ein Segen. Davon ist Andreas Hechler überzeugt. Er und seine Frau sind beide berufstätig. Während Mama und Papa arbeiten, ist der Sohn bei seinen beiden Tagesmüttern. Karin Baur und Christiane Hochgräbe betreiben eine Großtagespflegestelle im evangelischen Waldheim Sonnenwinkel an der Barchetstraße. Die beiden Tagesmütter betreuen insgesamt neun Kinder im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren. Maximal sieben Mädchen und Jungen dürfen gleichzeitig da sein. „Der Bedarf für diese Betreuungsform ist da“, betont Andreas Hechler. Insbesondere für Kinder unter einem Jahr seien Betreuungsplätze Mangelware. „Zwar liest man auf den Internetseiten vieler Einrichtungen, dass auch Untereinjährige betreut werden. Die Realität sieht aber dann oft anders aus“, sagt Hechler. Er und seine Frau hätten in zig Kindertagesstätten angerufen und immer nur Absagen bekommen.

 

Auch von den anderen Eltern bekommen die beiden Tagesmütter viel Lob. Dennoch fällt es ihnen manchmal schwer, weiterzumachen. Sie haben den Eindruck, dass die Stadt die Großtagespflegestellen mehr und mehr als Konkurrenz empfindet und gegen sie arbeitet. Die Tagesmütter seien eine Zeit lang willkommen gewesen, um den gesetzlichen Anspruch von Eltern auf einen Betreuungsplatz für ihr Kind gerecht zu werden. Mittlerweile habe die Stadt aber viele Kindergärten gebaut und sei nun bestrebt, diese auszulasten.

Das Jugendamt ist kaum erreichbar

Die Tagesmütter beklagen, dass das Jugendamt kaum mehr erreichbar ist. „Und wenn wir jemanden erreichen, fehlt es häufig an Kompetenz“, sagt Baur. Das Problem sei, dass es viele personelle Wechsel gegeben habe. Das betreffe auch die ehemalige Ansprechpartnerin der Dachswald-Tagesmütter. „Für uns hat das zur Folge, dass städtische Zuschüsse nur mit zeitlicher Verzögerung überwiesen werden“, sagt Baur. Hochgräbe ergänzt: „Für uns ist das zum Teil existenzbedrohend.“ Schließlich wollen das Finanzamt und die Krankenkasse pünktlich ihr Geld haben, und das sind keine Peanuts.

Für die beiden Tagesmütter geht es aber auch um rechtliche Dinge. Sie kritisieren, dass es in Stuttgart keine Vertretungsregelung gibt, wenn in einer Großtagespflege eine Betreuerin ausfällt, weil sie krank ist. In anderen Kommunen gebe es dafür Regelungen. Die Tagesmütter kritisierten zudem, dass ihnen Zuschüsse und damit das Urlaubsgeld gestrichen wird, wenn während ihres Urlaubs die Kinder nicht von den Eltern betreut werden. Auch dieses werde in anderen Kommunen anders und besser gehandhabt. Hinzu komme, dass für Großtagespflegestellen viel strengere Vorgaben gelten würden als für Tagesmütter, welche zu Hause fremde Kinder betreuen. „Das betrifft zum Beispiel die Küche und die sanitären Anlagen“, sagt Hochgräbe. Als unfair empfinden die Tagesmütter auch, dass in einer Großtagespflege von zwei Tagesmüttern maximal sieben Kinder gleichzeitig betreut werden dürfen, eine Tagesmutter zu Hause aber bis zu fünf Kinder haben darf.

Bisher gibt es in Stuttgart kein verbindliches Vertretungsmodell

Daniela Hörner vom Jugendamt bestätigt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass es in der Vergangenheit Engpässe gab. In der Dienststelle Kindertagespflege seien zum Jahreswechsel drei Sachbearbeiterstellen neu besetzt worden. „Dadurch kommt es bei Neuanträgen und bei Änderungen des Betreuungsumfangs in einer bereits laufenden Betreuung zu zeitlichen Verzögerung in der Fallbearbeitung. Während der Vertretungs- und Einarbeitungszeit musste leider auch die telefonische Erreichbarkeit eingeschränkt werden“, schreibt Hörner in einer schriftlichen Stellungnahme.

Sie bestätigt auch, dass es in Stuttgart derzeit kein verbindliches Vertretungsmodell gibt. Allerdings sei das in Baden-Württemberg auch nur in fünf von 37 Stadt- und Landkreisen der Fall. Stuttgart arbeite seit 2012 an der Implementierung eines Vertretungsmodells, das auch den Anforderungen der Sozialversicherungsträger entspreche.

Tagesmütter sind rechtlich selbstständig

Urlaubsgeld gebe es nicht, schreibt Hörner. Tagesmütter und -väter seien rechtlich gesehen selbstständig und hätten keinen Anspruch darauf. Allerdings zahle die Landeshauptstadt auch dann die Zuschüsse, wenn das Kind die Einrichtung gar nicht besucht, beispielsweise wenn es krank oder mit den Eltern im Urlaub ist. „Der überwiegende Anteil der anderen Jugendämter in Baden-Württemberg finanziert lediglich vier Wochen Ausfallzeit“, so Hörner.

Welche baulichen Besonderheiten bei Großtagespflegestellen beachtet werden müssen, gebe die Landesbauordnung (LBO) und nicht das Jugendamt vor. Für die Überprüfung sei der Wirtschaftskontrolldienst zuständig. Auch die Frage, wie viele Kinder in einer Großtagespflege betreut werden dürfen, sei nicht Sache der Stadt. Die rechtliche Vorgabe komme vom Kultusministerium. Das Jugendamt überprüfe lediglich, ob die Einrichtungen diese einhalten.

Eltern wollen Wahlfreiheit

Die Eltern der Kinder überzeugt das nicht. „Rundrum läuft es, nur in Stuttgart nicht“, sagt Andreas Hechler und meint damit das Modell der Großtagespflege. Er hat bereits mehrfach beim Jugendamt angerufen und Mails geschrieben, um darauf zu dringen, dass die beiden Tagesmütter aus dem Dachswald ihr Geld rechtzeitig bekommen. Oft genug sei er aber gar nicht durchgekommen. Hechler fordert mehr Personal, damit die Anliegen der Tagesmütter schnell und korrekt bearbeitet werden können. „Die Politik muss da tätig werden“, so der Familienvater. Er ist von dem Konzept der Großtagespflege und insbesondere von den Dachswald-Kids überzeugt. „Die Eltern wollen die Wahlfreiheit. Nicht jedes Kind ist in einer großen Kita gut aufgehoben. Manche brauchen einen familiäreren Rahmen. Die Großtagespflege ist so ein schönes Modell. Wieso will man das kaputtmachen?“, fragt er.