Im Interimsgebäude der Olgakrippe lief der Betrieb für knapp drei Wochen, obwohl es noch erhebliche Mängel beim Brandschutz gab. Eltern und Pädagogen wussten von nichts.

Bad Cannstatt - Fassungslos und verärgert reagierten Eltern und Mitarbeiter aus der Olgakrippe auf das, was sie Ende vergangener Woche beim Besuch des Baurechtsamtes erfahren mussten: Das neue Kita-Gebäude an der Sichelstraße, das interimsweise genutzt wird, bis der Neubau an der Taubenheimstraße fertig ist, hätte am 2. Januar gar nicht in Betrieb gehen dürfen. Die brandschutztechnischen Mängel waren noch zu groß. „Darüber habe ich mich doch sehr gewundert“, sagt Einrichtungsleiterin Beate Wagner. Schon am 14. Dezember seien die Mängel vom Baurechtsamt festgestellt worden. Einen Tag später habe es aber von Seiten des Bauherrn und des Amtes für Liegenschaften und Wohnen geheißen, dass dem Umzug aus der Taubenheimstraße am 16. Dezember und einer Inbetriebnahme am 2. Januar nichts im Wege stehe. „Man muss doch sagen, wenn man Dinge nicht termingerecht hinbekommt“, sagt Beate Wagner verärgert.

 

Das Ergebnis: Die 90 Kinder im Alter bis sechs Jahre waren knapp drei Wochen der Gefahr ausgesetzt, bei einem Feuer nicht rechtzeitig aus dem Gebäude zu kommen. „Wir sind enttäuscht und finden es bedenklich, wie gleichgültig mit dem Leben der uns anvertrauten Kindern und auch unserem eigenen umgegangen wurde“, schreiben die pädagogischen Mitarbeiter der Olgakrippe in einem offenen Brief.

Die Stadtverwaltung reagierte nun umgehend, auf die festgestellten, noch nicht behobenen Mängel und schloss die Kita. Am Freitag und Montag blieb die Einrichtung zu. „Wir bedauern sehr, dass die kurzzeitige Schließung die Familien der 90 Kinder belastete. Wir haben mit Hochdruck daran gearbeitet, die Kinder schnellstmöglich wieder in dem Gebäude betreuen zu lassen. Das ist ab Dienstag wieder der Fall“, teilte der Sprecher der Stadt, Sven Matis, auf Nachfrage unserer Zeitung am Montag mit. Mitarbeiter der Verwaltung hätten vor Ort den Bauleiter des Eigentümers des Gebäudes dahingehend beraten, unter welchen Maßgaben zumindest ein eingeschränkter Betrieb ermöglicht werden könne. „Die Maßnahmen wurden umgesetzt, so dass eine Freigabe zur Aufnahme der Nutzung der Gruppenräume erteilt werden konnte“, sagte Sven Matis.

Die Einrichtung soll ab jetzt Miete bezahlen

Das Untergeschoss bleibt allerdings weiterhin erst einmal geschlossen. Das macht der Einrichtung vor allem wegen der sich dort befindenden Küche Probleme. „Wir haben täglich 10,5 Stunden geöffnet. Die Kinder bekommen bei uns deshalb natürlich eine warme Mahlzeit. Auch wenn das Essen angeliefert wird, müssen wir ja das schmutzige Geschirr dennoch waschen“, betont Beate Wagner. In diesem Fall habe sich der Bauherr, der Bildungs- und Schulverein Baden-Württemberg, der als Träger der BIL Schulen fungiert, dazu bereit erklärt, das Geschirr täglich abzuholen, zu reinigen und wieder zu bringen. „Der Eigentümer ist mit Hochdruck dabei, die Mängel im Untergeschoss abzustellen. Ein genauer Zeitpunkt, wann auch diese Etage wieder freigegeben wird, kann aber noch nicht genannt werden“, sagt Matis. Und da die Brandemeldeanlage derzeit auch nicht funktioniert, werde dieser Ausfall derzeit über einen Wachdienst kompensiert. „Drei Leute beschützen uns und tragen uns nach draußen, falls es brennen sollte“, sagt Beate Wagner und schmunzelt. Ihren Humor hat sie trotz der vielen Probleme vor Ort noch nicht verloren. „Ich muss auch meinem tollen Team danken. Nur mit so einer Mannschaft kann man so viel bewerkstelligen und möglich machen.“

Unabhängig von den ganzen Wirrungen um das Gebäude an der Sichelstraße gibt es für den Verein Olgakrippe Bad Cannstatt noch einen anderen Grund, um sich zu ärgern. „Nach mehr als 140 Jahren sollen wir nun Miete an die Stadt bezahlen“, sagt Wagner. Rein rechtlich möge das stimmig sein, aber „es gibt ja auch noch eine andere Ebene“, sagt sie. Ein reicher Fabrikant habe damals für die Olgakrippe ein Gebäude gebaut, das im Zweiten Weltkrieg zerbombt worden sei. Die Stadt habe für Ersatz gesorgt. „Dieses Haus an der Taubenheimstraße ist jetzt marode und wird deshalb abgerissen“, sagt Wagner. „Ich wundere mich, dass man den Umzug in das Interimsgebäude jetzt nutzt, um uns Miete zahlen zu lassen.“ Ein Vertrag sei aber noch nicht unterschrieben.

Die Stadt lässt hierzu über ihren Sprecher Sven Matis mitteilen: „In Bezug auf die Miete ist zu sagen, dass die Mietfreiheit auf einem früheren Schenkungsvertrag von 1877 beruht. Das damalige Objekt ist aber bereits zu Kriegszeiten untergegangen, was somit auch den ursprünglichen Zweck der Schenkung betrifft. Daher wurde der Neubau nun als Anlass genommen, vom Träger eine Miete wie von allen anderen auch zu verlangen.“

Zu den ganzen Vorgängen hat nun auch die SPD-Gemeinderatsfraktion einen Antrag formuliert. Sie möchte über die fehlende Bauabnahme informiert werden – genauso wie über den Vorgang, der dazu geführt hat, dass künftig vom Verein Miete verlangt wird.