Die steigenden Kinderzahlen setzen die Stadt Fellbach beim Ausbau der Betreuungsangebote unter Zugzwang. Als Grund für den Baby-Boom gelten vor allem Ortswechsel junger Familien, trotz hoher Mietpreise scheint Fellbach attraktiv zu sein.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Fellbach - Dass die Stadt Fellbach bei der Kinderbetreuung ihre Hausaufgaben nicht machen würde, lässt sich wahrlich nicht behaupten. Seit Jahren werden Millionensummen in den Ausbau der Tagesstätten investiert, mit den Personalkosten für die Erzieherinnen und Erzieher ist der Bereich einer der größten Posten im städtischen Haushalt.

 

Die Elternbeiträge übrigens decken gerade mal 13 Prozent der Kosten ab

Wie sehr die Kinderbetreuung ins Geld geht, lässt sich schon an den Etatzahlen ablesen. In der guten alten Zeit – also vor der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren – waren in Fellbach etwa fünf Millionen Euro jährlich für Krippe und Hort eingeplant. Mittlerweile hat sich das Budget mehr als verdreifacht, schon ohne Baumaßnahmen und Sanierungen müssen die Rathaus-Rechner aktuell etwa 17 Millionen Euro für die Kinderbetreuung ausgeben. Die Elternbeiträge übrigens decken gerade mal 13 Prozent der Kosten ab – den Löwenanteil schultert beim Betrieb der Tagesstätten der Steuerzahler.

Lohn der Mühe ist, dass Eltern unterm Kappelberg vergleichsweise problemlos einen Kitaplatz finden. Während in der Landeshauptstadt Stuttgart beispielsweise mehr als 3000 Betreuungsplätze fehlen, kommt es in Fellbach in der Regel nicht zu langen Wartezeiten. 1739 Plätze gibt es, das sind nur knapp zwei Dutzend weniger als rein rechnerisch nötig wären. Aus der Sicht von Rathaus und Stadtpolitik ist die gute Ausstattung durchaus ein Standortvorteil. „In Fellbach finden Eltern schnell einen guten Kita-Platz – und das soll auch so bleiben“, hat sich Oberbürgermeisterin Gabriele Zull auf die Fahnen geschrieben.

Als Grund für den Baby-Boom gelten vor allem Ortswechsel junger Familien

Ausruhen allerdings kann sich Fellbach nicht auf dem erreichten Niveau. Denn die erfreulich hohen Geburtenzahlen bringen die Stadt bei der Kinderbetreuung in einen Zugzwang. Vor Jahren noch galt es als unvorstellbar, dass es in Fellbach deutlich mehr Nachwuchs geben könnte, alle Prognosen gingen von sinkenden Kinderzahlen aus. Jetzt sieht es so aus, als ob die Zahl der unter drei Jahre alten Kinder um bis zu 200 und die Zahl der über drei Jahre alten Kinder um bis zu 500 Sprösslinge wächst. „Diese Dynamik konnte niemand voraussehen“, sagt Stephan Gugeller-Schmieg, der im Rathaus für Schulen, Sport und Kinderbetreuung zuständige Amtsleiter. Als Grund für den Baby-Boom gelten vor allem Ortswechsel junger Familien, trotz hoher Mietpreise scheint Fellbach attraktiv zu sein.

Im Süden Fellbachs besteht Nachholbedarf

Die von Oberbürgermeisterin Gabriele Zull ausgerufene Wohnbau-Offensive könnte sogar zusätzlichen Bedarf erzeugen – obwohl Projekte wie die Besiedlung des ehemaligen Freibad-Areals, der Wohnbau in den Kühegärten oder auch die Pläne der Wohnungsgenossenschaft Fewog in der Gartenstraße zwar auf dem Weg, aber längst noch nicht fertiggestellt sind. Um den bereits absehbaren Mehrbedarf bei der Kinderbetreuung zu decken, muss die Stadt in den nächsten Jahren also noch tiefer in die Tasche greifen– zumal es bei aller Zufriedenheit durchaus auch Problempunkte gibt.

Neben dem Personalmangel gilt das für den vor allem in Einrichtungen freier Träger sichtbaren Sanierungsstau. Aus eigener Kraft können Institutionen wie der Evangelische Verein oder die Arbeiterwohlfahrt die Kosten nicht stemmen. Auch beim nach dem Motto „Kurze Beine, kurze Wege“ geltenden Prinzip einer wohnortnahen Kindertagesstätte gibt es eine Unwucht. Während andere Bereiche besser versorgt sind, besteht im Süden Fellbachs großer Nachholbedarf.