Die Tagesmutter Anna Prokein will vor Gericht um das kämpfen, was sie aufgebaut hat: Sie leitet zwei Tagesgroßpflegestellen in Stuttgart. Die Kinder, die Eltern und die angestellten Mitarbeiterinnen: alle sind zufrieden – nur das Jugendamt nicht.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Tagesmutter Anna Prokein will vor Gericht um das kämpfen, was sie aufgebaut hat. Sie leitet zwei Tagesgroßpflegestellen in Stuttgart – eine seit fünf Jahren im Osten und eine seit einem Jahr in Degerloch. Die Eltern der 17 Kinder sind zufrieden, ihre angestellten Mitarbeiterinnen auch, doch nicht das Jugendamt. „Es geht ihnen nicht um die Qualität, sondern nur um das Geschäftsmodell“, kritisiert Anna Prokein.

 

Man habe ihr mitgeteilt, dass sie als Tagesmutter keine Betreuungskräfte anstellen dürfe, weil Tagesmütter selbstständig tätig sein müssten. Doch nur so funktioniere das Betreuungsmodell in ihren Großtagepflegestellen. Sie müsste die Einrichtung im Osten sonst schließen. Am 31. Januar hat Anna Prokein deshalb Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Es könne doch nicht sein, dass eine selbstständige Tagesmutter nicht das Recht hat, jemanden anzustellen, findet ihr Mann, Dirk Prokein. Vor allem, wenn es ein Bundesprogramm gebe, das genau das fördere, „was wir aufgebaut haben“.

Nachhaltigkeit soll gefördert werden

Das Programm „Kindertagesbetreuung 2013“ unterstützt tatsächlich mit Bundes- und Landesmitteln, Tagesmütter anzustellen. „Die Festanstellung von Tagespflegepersonen fördert die Nachhaltigkeit in der Kindertagespflege durch Planungssicherheit für Eltern, Tagespflegepersonen und Jugendämter“, heißt es auf der Internetseite des Familienministeriums.

Bis das Gericht entscheidet, darf Anna Prokein die Tagesgroßpflegestellen weiterführen wie bisher – allerdings darf sie in Degerloch keine neuen Kinder aufnehmen. Deshalb seien dort nur noch sieben Kinder, so Dirk Prokein, was finanziell für sie natürlich ein Problem darstelle.

Nach der Rechtsauffassung des Jugendamts ist es nicht möglich, dass Tagesmütter angestellt arbeiten dürfen. Allerdings sei die Rechtslage „momentan nicht eindeutig“, das Kinder- und Jugendhilfegesetz sei nicht klar formuliert, sagt der Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle. Das sei ein rechtliches Problem, deshalb werde das vom Verwaltungsgericht geregelt. Ganz ungelegen kommt Pfeifle die Klage also nicht.

Vorteile für die Eltern

Anna Prokein ist überzeugt von ihrem Modell. Sie ist bereits seit 2007 Tagesmutter – seit 2012 hat sie Mitarbeiter angestellt, allesamt Fachkräfte. Der Vorteil für die Eltern liege auf der Hand: Sie könnten sich auf die Betreuungszeiten verlassen, auch Krankheitsfälle kann sie ausgleichen.

„Man kann keine Tagesgroßpflegestelle ohne angestelltes Personal betreiben“, stellt auch eine andere Tagesmutter klar, die von der Klage schon gehört hat und anonym bleiben will. Den Schritt bezeichnet sie als „mutig und wichtig, denn bisher befinden wir uns in einer Grauzone“. Wegen des Bundesprogramms räumt sie Anna Prokein gute Chancen ein zu gewinnen.

Kitalösung kommt für Anna Prokein nicht in Frage

„Es geht darum, eine rechtlich konforme Lösung zu finden“, betont Bruno Pfeifle. Die Stadt will nicht, dass die Tagespflegestellen schließen. Pfeifle sieht zwei Möglichkeiten: Entweder die Tagesmütter aus der zweiten Einrichtung machten sich selbstständig und führten diese weiter, oder Anna Prokein versuche, in den Bedarfsplan für Kitas zu kommen. Kitas würden umfangreich gefördert. „Rechtlich wäre das die perfekte, saubere Möglichkeit“, sagt Pfeifle.

Umwandlungen in Kitas hat es schon gegeben. „Himpelchen und Pimpelchen“ aus dem Westen hat zum Beispiel einen Großteil seiner Tagesgroßpflegestellen inzwischen im Bedarfsplan untergebracht, der Träger ist dabei,weitere Kitas zu gründen, die letzte verbliebene Großtagespflege funktioniert in einer Art Franchise-Modell. Rund um die Tagesgroßpflegestellen gebe es sehr viele Rechtsunsicherheiten, sagt die Geschäftsführerin von Himpelchen und Pimpelchen, Cornelia Bains. Für Kitas sei dagegen alles eindeutig geregelt, erklärt Bains ihre Abkehr vom Tagespflegemodell.

Die Kitalösung kommt für Anna Prokein nicht infrage. Sie biete aus Überzeugung die Tagespflege „wie zu Hause“ an, sagt sie. Ohnehin eigneten sich auch die Räumlichkeiten nicht dafür. Im Osten werden die Kinder in einer Wohnung betreut. „Es ist ein familiärer Tagesablauf, das ist uns wichtig“, sagt Anna Prokein. Sie hat ihre eineinhalb Jahre alte Tochter in der Tagespflege dabei. Wie bei Tagesmüttern üblich, verbindet sie den Beruf mit der Familie. In einer Kita wäre auch das nicht möglich.