Meist stecken veränderte Lebensumstände dahinter, wenn Tagesmütter ihren Beruf nicht mehr ausüben. Die Stadt setzt allerdings verstärkt auf das Tagespflege-Modell.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Miriam Hegener kümmert sich gerne um Kinder. „Mir macht das Spaß“, sagt die 28-Jährige. Auch für ihren Sohn sei es schön gewesen, als er zu Hause „einen kleinen Freund“ hatte. Bis November 2011 hat Miriam Hegener als Tagesmutter in Stuttgart gearbeitet – mit einer vorläufigen Pflegeerlaubnis, weil sie die Qualifikation noch nicht ganz beendet hatte. Die Prüfungen stünden eigentlich im März an, doch die müssen aus einem einfachen, sehr schönen Grund warten: Miriam Hegener ist im Mutterschutz. Vor fünf Wochen hat sie eine Tochter geboren.

 

Obwohl in Stuttgart jedes Jahr neue Tagespflegepersonen qualifiziert werden, bleibt die Zahl der Aktiven, die tatsächlich Kinder betreuen, konstant: 2011 waren es der Stadtverwaltung zufolge 286, im Vorjahr 289 und 2009 insgesamt 287 Tagespflegepersonen. Das liegt daran, dass viele ihrem Beruf nicht nachgehen. 36 Prozent der Stuttgarter Tagesmütter und Tagesväter, die im Jahr 2011 eine Pflegeerlaubnis hatten, haben zum abgefragten Stichtag kein Kind betreut.

Stadt setzt verstärkt auf Tagespflege

Das ist auch deshalb interessant, weil die Stadt wegen des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz für unter Dreijährige ab dem Jahr 2013 verstärkt auf die Tagespflege setzt. Sie fördert seit Anfang Januar die Betreuung einkommensunabhängig. Finanziell macht es für Eltern kaum noch einen Unterschied, ob sie ihr Kind in die Krippe oder zu einer Tagesmutter geben. Für die Tagesmütter bedeutet die neue Förderung allerdings, dass ihr Einkommen gedeckelt wird – sie erhalten von der Stadt für die Betreuung eines unter dreijährigen Kindes 5,30 Euro pro Stunde. Wie die StZ berichtete, werfen einige Betroffene der Stadt nun vor, dass es so nicht gelingen werde, das Potenzial an Tagesmüttern besser auszuschöpfen. Kritisiert wird unter anderem, dass die Betreuungskräfte kein zusätzliches Essensgeld verlangen dürfen sowie die mangelnde Planbarkeit des Einkommens, da eine Tagesmutter, wenn ein Kind krank oder im Urlaub ist, kein Geld bekommt. Als Ausgleich zahlt die Stadt pauschal 40 Cent pro Betreuungsstunde.

Nicht immer finanzielle Beweggründe

Wie der Fall von Miriam Hegener zeigt, müssen jedoch nicht immer finanzielle Beweggründe dahinterstecken, dass eine Tagesmutter keine Kinder betreut. Veränderte Lebensumstände zählten zu den Hauptgründen, warum so viele ihren Beruf nicht ausüben würden, berichtet der Geschäftsführer des Trägervereins Tagesmütter und Pflegeeltern Stuttgart, Michael Weiße. Neben einer Schwangerschaft könne auch der Umzug in eine kleinere Wohnung dazu führen, sagt Weiße und nennt noch einen weiteren Grund: nicht immer stimmten Angebot und Bedarf überein – wenn eine Tagesmutter beispielsweise nur von 8 bis 13 Uhr Kinder aufnehmen will, Eltern aber eine Ganztagsbetreuung suchten.

Tagesmütter bisher oft Lückenbüßer

Auch Christine Stümpfl-Berrer, die Fachdienstleiterin Kinderbetreuung bei der Caritas Stuttgart, dem Träger der Tagesmütterbörse, nennt „diverse Gründe“ als Ursache dafür, dass Stuttgart das Potenzial an Tagesmüttern bisher nicht ausschöpfen kann. Ein weiteres eigenes Kind, die Rückkehr in den alten Beruf, eine neue Anstellung – das alles könne dazu führen, dass die qualifizierten Frauen und Männer nicht in der Tagespflege arbeiten. „Manche fangen richtig Feuer, andere betrachten das von vornherein als vorübergehende Tätigkeit“, sagt Stümpfl-Berrer. Zum Teil werde den Frauen auch erst bewusst, wenn sie anfangen als Tagesmutter zu arbeiten, was sie störe – zum Beispiel die Verdienstmöglichkeiten. „Bei uns wird manches in den Vorgesprächen aber schon ausgeräumt“, sagt die Fachdienstleiterin. Sie geht davon aus, dass das neue Fördermodell der Stadt die „Alltagsfrustration“ für die Tagesmütter mindert. Bisher haben diese oft lediglich den Lückenbüßer gespielt, bis die Eltern einen Krippenplatz für ihr Kind bekommen haben. 36 Prozent der Plätze wurden nach Informationen der Stadtverwaltung immer nur kurzzeitig – bis zu sechs Monaten – belegt.

Auch Miriam Hegener weiß, wie anstrengend es ist, Lückenbüßer zu spielen. Das Kind, das ihr als Erstes vermittelt wurde, blieb nur drei Monate. Als das Mädchen gerade eingewöhnt war, bekamen die Eltern die Zusage für einen Kitaplatz. Sie kündigten der Tagesmutter. Das bedeutete nicht nur für die studierte Verpackungstechnikerin eine Umstellung. „Auch für meinen Sohn war das schwierig, er hatte sich gerade daran gewöhnt, die Mama mit ihr zu teilen“, erzählt Hegener.