Großartige Darsteller-Leistung: Karlheinz Schmitt verwandelt das Stuttgarter Studio-Theater mit dem Stück „Kindereien“ in eine Welt, in der Traum und Realität verschwimmen.

Stuttgart - Es gibt Geschichten, die lassen sich nur dann gut erzählen, wenn sie woanders geschehen, wenn man den Blick aus der Ferne auf sie richten kann, wenn vielleicht nicht klar ist, ob sie real, oder nur ein Traum gewesen sind. So geschehen in dem Stück „Kindereien“ des französischen Autors Raymond Cousse, das am Freitagabend im Studio-Theater Premiere feierte. Der Schauspieler Karlheinz Schmitt erzählt, rasant und feurig in wechselnden Rollen, von den Ereignissen in einem kleinen Dorf nahe Paris aus der Perspektive eines heranwachsenden Jungen in den 1950er Jahren. In kindlicher Naivität blickt dieser Junge durch verschiedene Schlüssellöcher und sieht dabei das schauerliche Gebaren der Erwachsenen in einer Nachkriegsgesellschaft, deren Handeln von Gewalt, sexuellen Übergriffen und Brutalität geprägt ist.

 

Psychologische Tiefe

Stets berichtet er seinem Freund Marcel davon. Dabei – und das muss man mögen – bezieht er ohne viele Hemmungen immer wieder das Publikum mit ein. Da werden die Zuschauer zum Beispiel zu Schülern einer Klasse, die von ihrem Lehrer aus Prinzip gemaßregelt werden, im Chor irrsinnige Texte von der Tafel ablesen müssen, dann wieder keinen Mucks machen dürfen (in Wahrheit wird auch viel gelacht), um dann vom Pauker zu erfahren, dass sie im Grunde genommen nichts wissen. Bonbons werden verschenkt und Zigaretten. Immer wieder sterben Menschen, geschieht Machtmissbrauch, und das staunende Kind versucht, in all dem einen Sinn zu finden. Doch jede Idee, jede Frage des Heranwachsenden wird im Keim erstickt.

Das Stück lässt sich als ein komödiantisch-düsteres Monodram beschreiben, das, unter der Regie von Stefan Rogge, psychologische Tiefe zwischen Traum und Realität erreicht. Darsteller Schmitt leistet in eineinhalb Stunden Großes. Licht und Ausstattung begleiten ihn dabei, oder manchmal nimmt er sich, geschickt vorbereitet, schlicht, was er braucht, um das Spiel voranzutreiben. Warum gerade dieses Stück, heute und hier? „Theater ist immer jetzt“, sagt der Regisseur. – „Oder etwa nicht?“