Das Teilen von Kinderfotos gehört zur Lieblingsbeschäftigung vieler Eltern. Doch nicht nur die Wahrung der Würde und die Privatsphäre sind durch das Veröffentlichen intimer Kinderfotos problematisch – manche Promis machen sogar Werbung mit ihren „Mini-Influencern“.

Stuttgart - In Windeln beim Abendbrot, halbnackt im Planschbecken und verschlafen beim Zähneputzen: Unzählige Bilderstrecken fluten die Newsfeeds sozialer Kanäle, wenn Eltern stolz die ersten Schritte ihrer Nachkommen zeigen oder ihren Familienalltag vor aller Augen auf Instagram oder Facebook ausbreiten. Durch das Smartphone werden die Schnappschüsse nicht nur im Familien-Chat geteilt – vielen Eltern fehlt oftmals die nötige Medienkompetenz und das Feingefühl für die Privatsphäre ihrer Kinder: Was Eltern vielleicht süß finden, muss Kindern eben nicht unbedingt gefallen.

 

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Denn auch Kinder haben, entgegen der allgemeinen Annahme, ein Recht auf Persönlichkeitsschutz. Ihnen wird über die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989, die auch Deutschland unterzeichnet hat, ein klares Recht auf Privatsphäre eingeräumt. Doch im Normalfall setzten sich Eltern einfach über die Rechte der Kinder hinweg. Haben die Kinder nicht das 14. Lebensjahr vollendet, gelten sie als nicht einsichtsfähig. Das bedeutet, dass sich Kinder nicht der Tragweite einer Einwilligung bewusst sein können. Laut dem Kunsturhebergesetz, welches das Recht am eigenen Bild regelt, muss mindestens ein sorgeberechtigter Elternteil zur Veröffentlichung und Verbreitung eines Kinderfotos einwilligen.

Verletzung der Privatsphäre

„Die Rechte von Kindern sind auch im digitalen Raum nicht verhandelbar“, sagt Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Eine Studie des Kinderhilfswerks hatte erst kürzlich festgestellt, dass viele Kinder durchaus eine gute Vorstellung davon haben, wenn ihre Privatsphäre durch das Verhalten ihrer Eltern verletzt wird. Laut der Studie stehen viele Eltern den Risiken digitaler Mediennutzung oftmals hilflos oder unwissend gegenüber. Das Forschungsteam fand in Interviews unter anderem heraus, dass Kinder Anwendungen nutzen, für die sie eigentlich noch zu jung sind. Auch intime Fotos, die etwa Mütter beim Stillen zeigen, waren oft nicht im Interesse der gezeigten Kinder.

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Auch die Gefahr, dass die Kinderfotos von Pädophilen gesammelt und auf entsprechenden Seiten geteilt werden könnten, ist laut Experten eine reale Gefahr. Das LKA warnt vor der Veröffentlichung privater Aufnahmen, deren Folgen unüberschaubar seien. Die Beamten mahnen Eltern vor einem allzu sorglosen Umgang mit Kinderfotos, da sich das hochgeladene Material auch nach dem Löschen noch im Netz befinden könnte und somit frei verfügbar ist.

Kinder als Mini-Influencer

Ob Mini-Fashionistas auf Instagram oder Buggy-Werbung auf Mama-Blogs: Die Profilierungssucht prominenter Eltern geht oft soweit, dass ihre Kinder sogar auf sozialen Portalen für Werbung missbraucht werden. Babys und Kleinkinder werden von ihren Eltern für Rabattcodes und Produktplatzierungen vermarktet, ohne dass sie sich zur Wehr setzen können. Mit Kindern lässt sich viel Geld verdienen, wie auch Krüger anmerkt: „Es gibt Eltern, die mit ihren Kindern als Kinderinfluencer quasi ihren Lebensunterhalt bestreiten.“

Das Kinderhilfswerk warnt vor den Folgen dieser grenzwertigen Instrumentalisierung. Die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätenbildung könnte durch diese Form von „Kinderarbeit“ in Gefahr sein, wenn Minderjährige zur Projektions- und Werbefläche werden. Noch gibt es in Deutschland keinen Meldemechanismus. Luise Meergans, Bereichsleiterin für Kinderrechte und Bildung beim Kinderhilfswerk, wünscht sich mehr Kontrollinstanzen – und mehr Verantwortung. Auch bei den Eltern.

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