Anwohner des Kindergartens kritisieren den Ausbau eines Kindergartens. Unter ihnen sind auch Lokalpolitiker.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Hoffeld - Es sei ja nicht gegen die Kinder, versichern die Anwohner. Seit aber bekannt ist, dass die katholische Gemeinde Mariä Himmelfahrt den Kindergarten an der Hoffelder Sprollstraße neu bauen und bei der Gelegenheit erweitern will, regiert die Aufregung an dem Wohnsträßchen. Die Sorge der Nachbarn gilt vor allem den Elterntaxis. „Die Situation ist jetzt schon kritisch“, sagt Paolo Bavastro, einer der Anwohner. Sie haben Briefe an alle Fraktionen im Gemeinderat geschrieben.

 

Bei den Grünen könnte die Post den kurzen Dienstweg genommen haben: deren Stadträtin Beate Schiener wohnt neben dem Kindergarten und gehört zu den Unterzeichnern des Briefs. Sie gilt als Kritikerin der Ausbaupläne. „Das ist ein toller Kindergarten“, sagt sie. „Aber die verkehrliche Situation ist schwierig, erst heute sind wieder Autospiegel abgefahren worden.“

Dass Schieners Gegenwehr aufgrund ihrer Doppelfunktion ein Geschmäckle hat, hat in der Lokalpolitik längst die Runde gemacht. Vor allem seit die Grünen im Bezirksbeirat einen kritischen Antrag zum Kindergarten-Ausbau gestellt haben, wabern Gerüchte durch Degerloch. Zum Beispiel darüber, dass Schiener versucht sein könnte, ihr Stadtratsmandat zu nutzen, um private Ziele zu erreichen. „Natürlich liegt der Gedanke nahe“, sagt Andreas Schmitt, der Sprecher der Grünen im Bezirksbeirat. „Er ist ja selbst mir schon gekommen.“ Er sieht die Situation gelassen: „Unsere Gemeinderatsfraktion ist durchaus in der Lage, Berufliches von Privatem zu trennen.“

Schwierige Doppelrolle

Schiener ist sich ihrer, in diesem Fall schwierigen, Doppelrolle bewusst. „Wenn bei einer Gemeinderatssitzung Interessenkonflikte bestehen sollten, hat die Gemeindeordnung hierfür mit der Befangenheitsvorschrift vorgesorgt, an die ich mich selbstverständlich halten werde“, sagt sie.

So sieht es auch Astrid Maurer. Die grüne Bezirksbeirätin wohnt ebenfalls direkt neben dem Kindergarten und engagiert sich bereits seit 2008 gegen die Ausbaupläne der Kirchengemeinde. „Ich bin nicht nur Bezirksbeirätin, sondern auch Bürgerin und Anwohnerin“, sagt sie. Und in diesem Fall wiegt Letzteres schwerer für sie; sie und ihr Mann wollen sich gegen die vermutete Verkehrsbelastung frühzeitig wehren. Deshalb habe sie sich im Bezirksbeirat stets zurückgehalten, wenn es ums Thema gegangen ist. „Ich bin ja befangen“, sagt sie (siehe Kasten).

Die Katholiken unterhalten im Bezirk zwei Kindergärten: einen an der Reutlinger Straße mit drei Gruppen und jenen in Hoffeld mit zwei Gruppen. Beide Gebäude sind marode. Handelt die Kirche nicht bald, „wird es immer teurer“, sagt Michael Pope, der zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats. Da es sich die Katholiken nicht leisten können, die Bauarbeiter an beide Standorte zu bestellen, haben sie beschlossen, nur in Hoffeld neu zu bauen – für alle Gruppen. Die Degerlocher Niederlassung würde dann geschlossen werden.

CDU und Grüne haben Anträge geschrieben

Die Befürchtungen der Anwohner wegen der Pläne haben sich in politischen Anträgen niedergeschlagen. Eben in einem der Bezirks-Grünen, doch am schnellsten war die CDU im Gemeinderat. Sie hatte im Februar einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der sich kritisch mit dem Verkehr befasst und darum bittet, andere Standorte in Betracht zu ziehen. Seither sind fünf Monate ins Land gezogen, die Haltung der CDU ist dieselbe geblieben. „In der Straße ist fast immer was los“, sagt der Stadtrat Joachim Rudolf. Er fragt sich, wie das erst werden soll, wenn noch mehr Eltern noch mehr Kinder an die Sprollstraße bringen. „Und die Grünen sehen es ja ähnlich.“

Anderer Meinung sind hingegen die Sozialdemokraten. Den Vorstoß von Grünen und CDU „habe ich nicht nachvollziehen können“, sagt der SPD-Stadtrat Ergun Can. Besonders über den Antrag der Grünen habe er sich gewundert. „Das passt gar nicht ins Bild.“ Die SPD jedenfalls „unterstützt solche Einrichtungen“, sagt Can. „Ich kann nicht glauben, dass die Situation an der Sprollstraße so dramatisch sein soll.“

Edgar Riester vom Ordnungsamt bestätigt Can. Die Sprollstraße sei völlig unauffällig, sagt er. „Der ganze Ortsteil ist ja eine einzige Sackgasse.“ Aber Riester kennt das schon: Es sei zur Mode geworden, dass Anwohner auf die Barrikaden gehen, wenn in ihrer Nachbarschaft ein Kindergarten oder eine Schule gebaut werden soll. „Die Leute sind sensibler geworden“, sagt Riester. „Das hat inzwischen fast System.“ Fakt sei: „Die Straßen sind für alle gebaut.“

Die Stadt fördert den Neubau mit 2,3 Millionen Euro

Wie die CDU sprechen auch die Grünen in ihrem Antrag den Verkehr an. Auf Anfrage relativiert der Sprecher Schmitt das: „Das Argument ist strategischer Art.“ Ziel sei gewesen, mit der Kirche ins Gespräch zu kommen. Und dies sei ja gelungen. Vergangene Woche war der Kirchengemeinderat Pope im Bezirksbeirat. Die Grünen hätten nur eine Frage: „Ob nicht mehr Mehrwert möglich ist, wenn die Stadt Geld in die Hand nimmt“, sagt Schmitt. Mit Mehrwert meint er mehr Betreuungsplätze.

Die Stadt will den Ausbau mit 2,3 Millionen Euro fördern. Tatsächlich wird es nach dem Ausbau nicht mehr Plätze geben. „Dazu haben wir die finanziellen Möglichkeiten nicht“, sagt Pope. Es müsste seiner Ansicht nach im Interesse der Stadt sein, dass die Gemeinde zumindest den Ist-Zustand sichere. „Damit ist schon viel erreicht.“