Die Vorwürfe von Gewalt und Misshandlung im ehemaligen Kinderheim Hoheneck sollen aufgeklärt werden. Das Münchner IPP-Institut hat dafür jetzt eine Anlaufstelle eingerichtet – es soll auch einen Dialog geben.

Ludwigsburg - In die Aufklärung des Heimskandals im ehemaligen Kinderheim St. Josef in Hoheneck kommt Bewegung. Das Münchner Institut IPP, das unter anderem bereits den Missbrauchsskandal an der Odenwald-Reformschule bearbeitet hat, will nun Opfer von Gewalt und Vernachlässigung anhören. Dies teilt Schwester Edith Riedle mit, die Leiterin des Karmelitinnen-Ordens in Hoheneck. Dieser hat bis 1992 das Kinderheim betrieben.

 

Ehemalige Heimkinder haben über ein System von Gewalt, Unterdrückung und Lieblosigkeit berichtet, wie unsere Zeitung erstmals berichtet hat. Inzwischen hat auch der SWR das Thema aufgegriffen. Die Heimkinder wollen sich anwaltlich vertreten lassen und besser organisieren, um mit einer Stimme zu sprechen.

Hotline und E-Mailadresse sind freigeschaltet

Von diesem Dienstag an schaltet das IPP-Institut nun eine Hotline und hat eine E-Mailadresse eingerichtet. Unter diesen Kontaktmöglichkeiten können sich ehemalige Heimkinder oder auch Zeitzeugen melden. Bis zum 10. Mai läuft zunächst die Frist, in der sich ehemalige Heimkinder melden können. „Von den Betroffenen wurde der Wunsch nach einer unabhängigen Anlaufstelle geäußert“, erklärt Schwester Edith Riedle. Sie hat daher die Münchner Experten beauftragt, die Vorgänge aufzuarbeiten: „Dieses steht in keinem Abhängigkeitsverhältnis zur katholischen Kirche, es gibt also keinen Interessenskonflikt.“

Daher will das IPP, das von dem Soziologen und Psychologen Florian Straus geleitet wird, Berichte über die Heimzeit erstellen. „Diese sollen die Grundlage für eine weitere Aufarbeitung der Geschehnisse sein“, sagt Riedle. Um möglichst fundierte Aussagen über die Vorwürfe und das Vorgehen der Ordensleitung treffen zu können, sei man darauf angewiesen, dass sich möglichst viele Opfer von Gewalt melden.

Der Schwesternorden will Gespräche

Wenn alle Gespräche geführt wurden, sollen die Münchner innerhalb von zwei Monaten einen Abschlussbericht erstellen. Die Ordensschwester betont, dass sie die Vorgänge, die in den 50er Jahren begannen und bis Anfang der 80er Jahre gedauert haben müssen, aufklären wolle. „Unser Ziel ist es, mit Betroffenen sowie mit ehemaligen Mitarbeitern des Josefsheims Interviews zu führen“, sagt Riedle.

Der Wunsch nach einem gemeinsamen Treffen wird auch immer wieder von den Heimkindern geäußert. „Wir wollen alle zusammen auftreten“, betont etwa Corinna Hofmann, die heute in Nürnberg lebt und in den 70er- und 80er-Jahren in dem Hohenecker Kinderheim gelebt hat. Über ein solches Treffen wird hinter den Kulissen verhandelt, auch Gerburg Crone von der Missbrauchs-Anlaufstelle der Caritas, ist in die Gespräche eingeschaltet.

Eine Schwester entschuldigt sich

Es laufen also verschiedene Prozesse parallel. Ehemalige Heimkinder berichten auch von individuellen Begegnungen mit einzelnen Schwestern. So erzählen einige von einer Begegnung im Krankenhaus mit einem der ehemaligen Ordensmitglieder. Die Schwester sei über 100 Jahre, kann sich aber noch an vieles erinnern. „Sie hat geweint, sich ganz oft entschuldigt und war ganz aufgelöst“, erzählt eine ehemalige Bewohnerin des Josefsheims. Bislang ist ein Dialog zwischen ehemaligen Heimkindern und Schwestern nicht zustande gekommen – auch weil die Opfer kein Vertrauen in kirchliche Institutionen haben.

Wohin können sich ehemaligen Heimkinder wenden?