In einer eigens anberaumten Sitzung des Krankenhausausschusses haben Mitarbeiter des Olgahospitals ihrem Ärger Luft gemacht. Die Beschäftigten befürchten einen Kollaps der Stuttgarter Kinderklinik.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Die Geschäftsführung des Klinikums hat den Auftrag, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die akuten Probleme im Olgahospital zu beheben“ – und die Ergebnisse bis zum 22. Februar mitzuteilen. Dieser Auftrag von Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle ist das wichtigste Ergebnis einer ungewöhnlichen Sitzung des Krankenhausausschusses am Freitag. Ungewöhnlich, weil sowohl die Klinik- und die Pflegedienstleitung des Olgäles als auch Vertreter von Personal und Kinderärzten zu Wort kamen.

 

Dass sich die Lage im Olgäle zugespitzt hat, ist bei der eigens angesetzten Sitzung deutlich geworden. So sind den Ärzten zufolge von den 109 belegbaren Betten 17 Prozent im Schnitt wegen Personalmangels geschlossen – und 2004 sollen es noch 145 Betten gewesen sein. Die Pflegerische Zentrumsleiterin Ute Weber berichtete über einen aktuell hohen Krankenstand bei den Mitarbeitern, weshalb sie auf mehreren Stationen Bettenschließungen veranlasst habe. Auf der Intensivstation sei die Situation wegen des Fachkräftemangels chronisch. In den vergangenen sechs Monaten habe man etwa 20 Operationen verschieben müssen. Seit Anfang Dezember seien zudem 53 Kinder mangels Kapazität an andere Kliniken verlegt worden.

Mindestens sieben Millionen Euro Defizit

Das Olgahospital bewegt sich in einem Spannungsfeld, das sich in der Sitzung zeigt: Es ist ein Kinderkrankenhaus der Maximalversorgung, vom Träger ist die „schwarze Null“ gefordert, die Finanzierung durch die Krankenkassen reicht nicht aus. Das Defizit von 2012 steht noch nicht fest – momentan geht die Geschäftsführung von sieben Millionen Euro aus, davon übernimmt die Stadt fünf Millionen. Hätten sie nicht Sparmaßnahmen eingeleitet, Leistungen gesteigert und Zusatzentgelte erstritten, rechnete der ökonomische Zentrumsleiter Arno Siegel vor, hätte das Defizit 2012 sogar bei 25 Millionen Euro gelegen.

Die Einführung des Fallpauschalen-Systems, nach dem das Olgäle sein Geld bekommt, habe zwischen 2005 und 2012 zu einem Verlust von 12 Millionen Euro geführt. Zwar habe sich das System teilweise verbessert, aber vor allem langwierige Erkrankungen würden unzureichend finanziert: Sie machen 2,3 Prozent der Fälle aus, sind aber für 3,1 Millionen Euro des Defizits von 2012 verantwortlich. Auch Tarifsteigerungen seien von den Kassen nicht ausgeglichen worden. Die Leitung habe für 2012 das Ziel gehabt, die Leistungen mit dem gleichen Personal zu steigern, um so zu sparen. Nur habe sich gezeigt, dass das Personal das nicht bewältigen könne, so Siegel.

Zusätzliche Belastungen durch den Umzug

Dass der Stellenplan des Olgäles sich auf dem Papier besser liest als die Realität ist, wurde in der Sitzung ebenfalls deutlich: Leasingkräfte werden wegen der höheren Kosten nicht eins zu eins umgerechnet. Überstunden werden auf den Stellenplan angerechnet. Höhere Urlaubsansprüche, die rechtlich inzwischen gelten, machen allein in der Pflege umgerechnet acht Vollzeitkräfte aus, die man deshalb ebenfalls abziehen müsste. Und der Ärztliche Direktor Franz-Josef-Kretz wies auf die Belastungen des Umzugs hin, die eigentlich auch 18 Vollzeitstellen bei Ärzten und Pflegekräften binden.

„Wir brauchen eine kurzfristige Lösung“

„Das System ist am Kollabieren“, warnte die stellvertretende Stationsleiterin der K 1, Anita Schmid, die im Namen der Pflegekräfte sprach. Sie berichtete über praktische Folgen des Personalmangels: Kinder würden verspätet Nahrung bekommen, auch Schmerzmittel und Antibiotika würden später verabreicht. „Wir brauchen eine kurzfristige Lösung“, forderte Schmid. Auch der Oberarzt Eberhard Maaß appellierte für „Stuttgarter Maßnahmen, die kurzfristig erfolgen“. Und der Chefarzt Stefan Bielack sagte: „Wir möchten eine rasche Rückkehr zur vollen Funktionsfähigkeit.“ Sie seien immer noch stolz, im Olgäle zu arbeiten. Die Betriebsgruppe Klinikum hat in einem Flugblatt Maßnahmen aufgelistet, die sie zur Entlastung fordert, darunter sind ein Springerpool, um Ausfälle zu kompensieren, sowie ein Patientenbegleitdienst.

Alle Fraktionen zeigten sich beeindruckt angesichts der Berichte. Einigkeit herrschte darüber, dass die Verantwortung für die Unterfinanzierung der Krankenhäuser beim Bund liegt. „Wir wollen das Olgahospital vom massiven Druck befreien“, sagte Silvia Fischer (Grüne). Man wolle aber auch nicht einfach Zahlmeister sein. Sie regte den Aufbau eines Puffers an, um die Umzugssituation aufzufangen. Aus der CDU kam das Signal von Helga Vetter, dass man auch über 2013 hinaus – allerdings nicht langfristig – noch einen Zuschuss gewähren könnte. Maria Hackl von der SPD forderte Lösungsvorschläge ein. „Wenn Überstunden in volle Stellen umgerechnet werden, ist etwas schräg“, kritisierte sie.

Wölfle kündigte an, die Verwaltung werde eine Resolution gegen die Unterfinanzierung des Kinderkrankenhauses erarbeiten, die vom Gemeinderat verabschiedet und dann an den Bund übermittelt werden soll. Die Idee war von der CDU sowie SÖS/Linke aufgebracht worden. Am 8. März soll zudem eine Protestveranstaltung aller Stuttgarter Krankenhäuser im Rathaus stattfinden, bei der es um die Unterfinanzierung geht.