Bluna, Pepsi-Carola oder Tarzan: Viele Eltern wünschen sich einzigartige Namen für ihr Kind – und holen sich wissenschaftlichen Rat in Leipzig.

Leipzig - Warum dürfen neue Erdenbürger hierzulande Legolas oder Pumuckl heißen, nicht aber Schnucki oder Joghurt? Weshalb beurkunden deutsche Standesbeamte Bluna, Pepsi-Carola oder Tarzan, während sie bei Waldmeister, Whisky oder Woodstock mit dem Daumen nach unten zeigen? Und was hat der Name Ikea, was Porsche nicht hat?

 

Manche Eltern hierzulande sind aber auch verrückt. Immer ausgefallener sollen die Vornamen ihrer Sprösslinge sein. „Gerade bildungsferne Leute denken sich zum Teil kuriose Bezeichnungen aus“, berichtet Gabriele Rodriguez. „Mancher möchte den Namen dann sogar wie ein Patent schützen lassen, damit nie mehr ein zweites Kind so heißen darf“, sagt die Chefin der Namenberatungsstelle an der Universität Leipzig und schüttelt den Kopf. Aber das gehe erst recht nicht.

Die 51-jährige Sprachwissenschaftlerin ist eine Instanz, wie es sie bundesweit kein zweites Mal gibt. Gut 3000 Anfragen erreichen sie und ihr Forscherteam Jahr für Jahr, früher meist von Standesämtern, heute vor allem von den werdenden Eltern selbst. Und während Gabriele Rodriguez das erzählt, klingelt ihr Telefon – eine schwangere Frau aus Würzburg bittet um Auskunft. Sie möchte ihre Tochter Midna nennen, frei nach einer japanischen Koboldfigur. „Darf ich das, könnte das Standesamt dagegen sein?“, fragt sie hoffnungsvoll. Gabriele Rodriguez macht ihr zumindest Mut: Sie wolle versuchen, mit einem Kurzgutachten zu belegen, dass das deutsche Namensrecht „Midna“ nicht von vornherein ausschließt.

Das deutsche Namensrecht ist ein Fall für sich

Ach ja, das deutsche Namensrecht! So etwas gibt es halt nur hierzulande – und im Grunde nicht einmal das so richtig. Denn während in fast allen Völkern jedes Wort, das die Sprache kennt, auch als Name dienen darf, bedarf es im Deutschsprachigen des hochamtlichen Abnickens. „Dabei ist der Kernbereich der Vornamenerteilung noch nicht einmal rechtsverbindlich geregelt“, rügt die Expertin. Meistens basierten Ablehnung oder Genehmigung durch Standesbeamte auf diversen Ausführungsverordnungen oder gar internen Dienstanweisungen. Und die seien dann von Land zu Land, selbst von Stadt zu Stadt sehr verschieden. Manch amtliches Veto „grenzt da schon an Willkür“, sagt Rodriguez. Oft gebe man nur Elternwünschen statt, „wenn sich die Namen in der Bibel des Standesbeamten nachschlagen lassen“, also dem Internationalen Handbuch der Vornamen.

Einig scheinen sich die Behörden nur in vier Punkten: Ein Vorname muss wie ein Vorname anmuten, nachweisbar bereits vorhanden sein und klar das Geschlecht anzeigen. „Außerdem darf er ein Kind in Deutschland nicht zum Gespött machen“, sagt die Wissenschaftlerin. Auch deshalb hat sie in der Vergangenheit schon öfter ihren Segen verweigert. Manchen Anrufer fragt sie auch sehr eindringlich: „Sie wissen schon, was das für Ihr Kind bedeutet, wenn Sie diesen Namen wählen. . .?“

Für die allermeisten Eltern sei das indes kein Problem. Denn deutlich im Trend lägen wieder deutsche Namen aus dem 19. Jahrhundert. Seit Jahren dominierten landauf, landab Marie, Sophie und Maria sowie Maximilian, Alexander und Paul die Hitlisten. Doch regional gebe es Abstufungen. Während im protestantischen Norden und Osten die Eltern meist nur einen Vornamen wählten, seien es im katholischen Westen und Süden häufig mehrere. Letzteres empfiehlt Gabriele Rodriguez ihren Nachfragern gern auch als Vehikel: Lässt sich der Rufname nicht klar einem Mädchen oder Jungen zuordnen oder provoziert er aufgrund seiner ausländischen Wurzeln Fragezeichen, rät sie zum unmissverständlichen Zweitnamen. So soll nun etwa das Kind einer Berlinerin, die sich offenbar ebenfalls an einem japanischen Comic orientiert, zum gewünschten Mononoke noch ein Karlotta in die Geburtsurkunde bekommen – kein Zweifel also: es ist ein Mädchen.

Luca – so heißen heute Mädchen und Jungen

Insgesamt wünscht sich die Fachfrau bei den Standesämtern mehr Mut und Toleranz gegenüber Neuem. „Manchen Wunsch lehnen sie zu leichtfertig ab“, sagt sie. Immerhin sei ins Thema Geschlechtseindeutigkeit Bewegung kommen. So wurden Luca oder Mika bereits weiblich wie männlich beurkundet. Auch Celin ohne e – eigentlich ein Jungenname – heißen nun auch die ersten Mädchen.

Viele Anrufe zwingen die Leipziger Namensforscher zunächst zu einer gründlichen Recherche. Namensbücher, Lexika und Enzyklopädien aus aller Welt füllen ihre Regale. Immerhin habe bereits jedes vierte Neugeborene in Deutschland einen Migrationshintergrund, sagt Rodriguez. Hier zahlt sich aus, dass sie einst nicht nur Slawistik und Romanistik studierte, sondern auch, da dies im tatarischen Teil der Sowjetunion geschah, parallel noch in die Turksprachen eintauchte. Heute muss sie berufsbedingt aber auch in der arabisch-persischen Sprachwelt bewandert sein, bei wichtigen afrikanischen Sprachen durchblicken und chinesische Schriftzeichen selbst von der Lautfärbung her beurteilen können. Schließlich haben Li, Mai oder Long bis zu zehn verschiedene Bedeutungen. Das Internet sei übrigens nur ihre „allerletzte Quelle“. Es sei zu fehlerhaft, und nicht jede Namensseite sei seriös.

Und welchen Namen empfiehlt Gabriele Rodriguez zurzeit persönlich, wenn es ebenso ausgefallen wie zulässig sein soll? Suvi für ein Mädchen – das ist finnisch –, und für einen Jungen Donit (albanisch), Khaled (arabisch) sowie Simangaliso (südafrikanisch). Ihre eigenen, inzwischen erwachsenen Kinder heißen übrigens Dennis und Diana.