Der Hamburger Kinderpsychiater Michael Schulte-Markwort spricht im Interview über die Krippenbetreuung und wie Kinder darauf reagieren.  

Bremen - Der Hamburger Kinderpsychiater Michael Schulte-Markwort führt in einem Projekt alle Untersuchungsergebnisse zusammen.

 

Herr Schulte-Markwort, es mehren sich die Stimmen von Fachleuten, die die schädlichen Aspekte der Krippenbetreuung betonen. Vor allem die Stressbelastung bei Kindern unter zwei Jahren scheint gut belegt zu sein. Wie sehen Sie das?

Wir muten unseren Kindern, gerade wenn sie noch sehr klein sind, tägliche Trennungen und Bezugspersonenwechsel zu. Nicht jedes Kind reagiert auf diesen Stress mit Auffälligkeiten - für mich ist es allerdings ein Gebot der Fürsorge und Aufmerksamkeit, insbesondere empfindliche Kinder davor zu schützen. Nicht jedes Kind verträgt die Krippenbetreuung. Eine Versorgung durch die Mutter ist im Prinzip nicht zu ersetzen - je jünger die Kinder, desto weniger.

Wann ist die Krippe für ein Kind besser als die eigene Familie?

Immer dann, wenn aus psycho-sozialen Gründen ein Kind zu Hause nicht angemessen versorgt werden kann. Wenn die Mutter, die Eltern überfordert sind, dann kann die Krippenversorgung dazu beitragen, dass Kinder in der eigenen Familie verbleiben können und somit das familiäre System stabilisieren. Auch eine Mutter, die es zu Hause nur schwer aushält, sollte das Recht haben, wieder zu arbeiten und ihr Kind fremdzuversorgen, bevor die Unzufriedenheit sich negativ auf die Beziehung auswirkt. Allerdings: vorher sind die Väter gefragt, auszuhelfen beziehungsweise sich in die Versorgung der gemeinsamen Kinder einzubringen.

Wenn Eltern ihr Kind in eine Krippe geben müssen: worauf sollten sie achten?

Wichtig sind der Personalschlüssel, die Kontinuität der Betreuung und eine liebevolle Atmosphäre. Die Deutsche Liga für das Kind hat Qualitätskriterien erarbeitet, die Krippen einhalten sollten.

Welche Alternativen zur Krippe sollte es Ihrer Ansicht nach geben?

Eine Alternative war schon immer die Tagesmutter, die entweder nach Hause kommt oder in ihrer eigenen Wohnung ein oder mehrere Kinder betreut. Auch hier gilt: es dürfen nicht zu viele sein, und die Beziehungskompetenz der Tagesmutter muss spürbar sein. Darüber hinaus sollten wir nachhaltig andere, verbesserte Personalschlüssel für Krippen fordern.