Die Zunahme von Kindesmisshandlungen in Stuttgart ist ein Alarmsignal. Es sollte gehört werden, meint StZ-Redakteurin Inge Jacobs.

Stuttgart - In 1209 Fällen ist dem Stuttgarter Jugendamt im Jahr 2014 eine Gefährdung des Kindeswohls gemeldet worden. Das ist eine Zunahme um mehr als hundert Kinder im Vergleich zum Vorjahr. Da sollten die Alarmglocken schrillen – nicht nur bei den Profis im Jugendamt, sondern bei uns allen. Dass dabei immer mehr Familien als „Selbstmelder“ tätig werden, offenbart mehreres: erstens die Verunsicherung und Unwissenheit einer zunehmenden Zahl an Eltern darüber, wie denn richtig mit einem Kind umzugehen sei – insbesondere wenn dessen Verhalten nicht den Erwartungen entspricht. Zweitens demonstriert es auch die Hoffnung, dass das Jugendamt helfen kann und wird.

 

Es ist gut, dass das Amt seine Rolle verändert hat und sich dies auch in der öffentlichen Wahrnehmung spiegelt: weg von der gefürchteten Sanktionseinrichtung, die einzig dazu da ist, Kinder wegzunehmen, hin zu einem Dienstleister, der neben seinen gesetzlich verankerten Kontrollaufgaben auch ein immer differenzierteres und niederschwelliges Beratungs- und Hilfsangebot bietet und dabei auch mit anderen Disziplinen kooperiert – etwa mit Ärzten und Pflegern, aber auch mit Pädagogen.

Weshalb nicht schon Schüler aufs Elternsein vorbereiten?

Das Netz des Kinderschutzes ist engmaschiger geworden – und das ist gut so. Zugleich stellt sich aber die Frage, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Bedürfnisse eines Kleinkindes und die Anforderungen, die sich daraus für Mutter und Vater ergeben, fest in die Bildungspläne der Schulen aufzunehmen. Denn eines braucht man gewiss nicht: auf einen weiteren Fall wie den des kleinen, totgeschüttelten Tayler aus Hamburg zu warten.