Wenn Sie jemanden sehen, der Bengalos zündet und den Montag feiert, ist das eventuell unser Kolumnist Michael Setzer. Schuld ist natürlich Sibylle Berg.

Stuttgart - Immer wenn jemand „Ich liebe Bücher!“ sagt, fällt irgendwo ein Buch von Mario Barth aus dem Regal. Auch weil die lautstark geäußerte Liebe zum Buch regelmäßig als eine Art kulturell hochwertiger Luftausstoß verstanden wird. Als ob’s nicht auch ein bisschen auf das zwischen den Buchdeckeln ankäme. Im Ernst jetzt: Dieter Nuhr, Eckart von Hirschhausen und Toni Schumacher haben Bücher geschrieben – so schwer kann’s nicht sein.

 

Und nix da „Feuilleton-Fatzke“ oder „Ach, der feine Herr“: Ich habe die Biografie von Lukas Podolski im Regal, lese gerade eine von den Beastie Boys und ackere mich parallel durch den Roman von Bela B.. Bei „Das Literarische Quartett“ gibt keiner eine Vermisstenanzeige auf, wenn ich mal nicht da bin.

Allerdings komme ich, abgesehen von Bus und Bahn, gerade eh kaum noch zum Lesen. Ein Buch erfordert schließlich Hingabe. Aber irgendwas ist immer und dem Baby beim Schlafen zugucken ist auch ziemlich schön.

Darum pflege ich derzeit Listen, was ich demnächst unbedingt lesen möchte. „GRM - Brainfuck“ von Sibylle Berg steht auch auf dem Zettel. Die habe ich sehr gerne.

„Schalalalalala MON-TAG!“

Vor Jahren tippte sie mal ins Internet: „Es ist nicht der Montag, es ist euer Leben“. Richtig verinnerlicht habe ich das jetzt erst. Der Sohn wurde an einem Montag geboren und für mich heißt das jeden Montag: „Hui! Schau an, wie erwachsen er schon ist.“ Und seit nunmehr 25 Wochen bin ich deshalb tatsächlich ein großer Montag-Fan. Ein Montag-Ultra, nur halt ohne Bengalos, weil ich sonst Ärger bekommen würde.

Neulich habe ich zu laut die Brille auf dem Nachttisch abgelegt und versehentlich das Kind geweckt. Nicht auszumachen, was passiert, wenn ich im Schlafzimmer Bengalos abfackele, „Schalalalala! MON-TAG!“ oder „Ich bin kein Hooligan, ich bin Montag-Fan!“ durch den Raum brülle, während das Kind selig schläft. Da muss ich mir den Notarzt womöglich selbst rufen, weil mich keiner mehr leiden kann.

Manche Eltern spinnen

Dennoch würde mir nie einfallen, von anderen zu verlangen, Montage jetzt genauso saustark zu finden, wie ich das tue. Ich bin ja nicht doof. Eltern neigen dazu, den Umstand, dass sie Eltern sind, ab und an grotesk zu überhöhen. Dann fragen sie zum Beispiel Leute, die keine Kinder haben, warum das denn so sei - und wann sie gedenken, dies endlich zu ändern. Als ob denn alles im Leben unbedingt einen höheren Sinn ergeben müsste und den ausgerechnet Kinder zu erfüllen hätten.

Nee, nee. Das ist meine Freude. Genauso wie ein Buch, das so gut ist, dass man sich im Überschwang alle Wörter auf den Arm tätowieren lassen würde. Auf den Rücken wäre albern: Das kann ich ja nicht lesen. So viel Sinn muss sein.

Es knistert!

Und ein neues Lieblingsbuch habe ich jetzt auch: Das „Knisterbuch“, der Autor ist mir gerade entfallen und ich befürchte, dass eine Lesung sehr kurzweilig wäre. Denn das Buch hat gerade mal acht Seiten und außer „Mein erstes Knisterbuch“ steht da wirklich gar nichts drin.

Aber in diesem Knisterbuch sind Bilder: von einem Haus, einem Schmetterling, einem Fisch, einer Schnecke und einem Blumentopf. Und wenn man die in weichen Stoff eingelassenen Seiten anfasst, dann knistert das lustig. Irgendjemand hat da nämlich etwas reingenäht, das, äh, knistert. Deshalb steht da schließlich auch „Knisterbuch“ drauf.

Und jetzt habe ich ein bisschen Angst, weil auf dem Buch von Sibylle Berg „Brainfuck“ steht.

Michael Setzer ist vor Kurzem Vater geworden. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kindskopf-kolumne-wo-ist-die-gebrauchsanweisung.8886a263-58fc-4858-aab6-16dd27430385.html https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kindskopf-kolumne-ein-vater-sagt-adieu-gangster-leben.913b36ea-0c17-45a6-af25-a90515edbe45.html https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kindskopf-kolumne-voellig-verballert.e2b8affd-20f6-43f5-9f7d-fbc26e0d4c8f.html