Dank Kind kann sich unser Kolumnist Michael Setzer nun endlich in einer längst vergessenen Kunstform üben: Schnauze halten, ruhig sein, kein Lärm machen. Na toll.

Stuttgart - Eine sichere Methode, zu Hause richtig Ärger zu bekommen: versehentlich das Kind aufwecken. Einmal ungeschickt niesen, husten oder gedankenverloren „Verlassen Sie bitte sofort meine Wohnung, Frau Kramp-Karrenbauer“ durch die Räume brüllen und – zack – ist Kirmes in der Bude. Aber bitte leise.

 

Mit einem Kind im Haus pendelt man ständig zwischen den Extremen: Motörhead-Konzert (alle machen Lärm, lachen, brüllen und quietschen) oder völlige Stille. Richtig ruhig ist es erst, wenn man versucht, die Luft anzuhalten, weil einem selbst das Atmen noch zu laut erscheint.

Oder ungefähr so, als würde man in eine Bikerkneipe reinlaufen und sagen: „Hey Mädels, wem von euch gehört denn die rosa Vespa da draußen?“ In dem Fall wäre die Stille exakt der Moment bevor es klatscht. Also, Beifall. Weil die das auch lustig finden. Äh, hoffentlich.

Jetzt neu: flüsternd brüllen

Zeit für Streit oder ein laufendes Fernsehgerät durch das geschlossene Fenster zu werfen, ist bei mir mittlerweile nicht mehr veranschlagt. Man lernt sogar, etwaige Unstimmigkeiten behutsam auszufechten und sich beispielsweise flüsternd anzubrüllen, damit das Kind nicht wach oder unnötig beschallt wird.

Besser wird’s nicht mehr, auch weil es kaum schlimmer geht, als sich in Gegenwart Unbeteiligter zu streiten. Wahnsinnig lustig ist das obendrein, da man während des geflüsterten Brüllens immer irgendwann lachen muss und merkt, wie lächerlich der Streit eigentlich ist.

Wer in derart absurden Situationen nicht lachen muss, wirft wahrscheinlich auch mit brennenden Autoreifen nach putzigen Welpen. Mit solchen Menschen streite ich allerdings nicht, für solche Leute rufe ich später höchstens den Notarzt. Mehr ist nicht drin.

Leise bitte!

Weil Kind und Mutter jüngst schon selig schliefen und ich nicht so lebensmüde sein wollte, beide versehentlich zu wecken, schaute ich im Zimmer nebenan noch etwas fern. Freizeitspaß wie Trompete spielen, Weltkrieg anzetteln, mit dem Laubbläser die Wohnung fegen oder Indoor-Fußball fällt mittlerweile ja eh von vornherein flach.

Vorsorglich wählte ich im Fernsehen etwas, das mich potenziell interessieren und gleichzeitig nicht aufwühlen würde. Lanz, Illner, den fürchterlichen Plasberg oder Heidi Klum kann ich mir nicht anschauen, da brülle ich nach zwei Minuten wie ferngesteuert: „Orr, halt doch endlich die Fresse!“. Damit würde ich den ganzen Stadtteil aufwecken.

Kurz die Luft anhalten

Ich wählte den „Tatortreiniger“ drüben bei Netflix. Da sagte Schotty, gespielt von Bjarne Mädel: In ihm wäre immer so eine Art Topf, randvoll mit Kraft und Energie. Der sei dafür reserviert, wenn er mal ein Kind hätte. Bis dahin aber, würde er das Ding nicht anrühren. Egal wie ausgelaugt er gerade sei.

Ich: „Aww!“, der Hund: „Wuff!“ – und dann die Angst: „Waren wir zu laut?“ Lieber kurz Luft anhalten. *Stecknadelfallenlassgeräusch*

Michael Setzer ist vor Kurzem Vater geworden. Er interessiert sich sehr für höllisch laute Musik. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.