In einem der besten Filme des Jahres aus Hollywood erleben wir Raumfahrt diesseits der „Star Trek“-Visionen. Sandra Bullock und George Clooney als NASA-Shuttle-Astronauten bekommen ein heftiges Problem im Orbit.

Stuttgart - Der Weltraum, unendliche Weiten. Wer kennt sie nicht, diese salbungsvollen Sätze zu Anfang jeder Folge der Science-Fiction-Serie „Star Trek“. Damals waren diese Weiten eine Verheißung, die Ausweitung der alten amerikanischen Mythologie des eroberbaren Landes ins Unendliche. Auch im Kinofilm „Gravity“ gibt es die unendlichen Weiten, aber sie sind eine Drohung.

 

„Gravity“ ist in unseren Tagen im hohen Erdorbit angesiedelt, rund um jene Spaceshuttles und Labore, die momentan die Grenzen unseres Raumfahrtmutes darstellen. Sandra Bullock spielt die Medizinerin Ryan Stone, die in die Schwerelosigkeit kam, um Experimente durchzuführen. Sie schwebt an einer Sicherheitsleine außerhalb der Ladebucht des Shuttles, über sich die Erde. Überall sonst aber ist die große Kälte und Leere, in der nichts den mitgebrachten Sauerstoffvorrat überdauern kann. Die Leine, führt uns die Kamera in so poetischen wie spannungskitzligen Bildern vor, ist die letzte Nabelschnur, die Stone ans Leben bindet.

Das atemberaubende Weltall

Rund um die umständlich im All umhertapsende Medizinerin schwebt der Profiastronaut Matt Kowalski (George Clooney). Er ist frei von Leinen, er bewegt sich mittels eines Düsenrucksacks, dessen Schubhuster gut bedacht sein wollen. Das ist unglaublich rückständig neben der Bewegungssouveränität der Menschen im Weltall in gängiger Kino-SF, wirkt hier aber wagemutig, majestätisch, ungeheuerlich. Der Regisseur Alfonso Cuarón („Harry Potter und der Gefangene von Askaban“) und sein Team setzen das im doppelten Wortsinn Atemberaubende des Weltalls so berückend in Szene wie nur wenige Vorgänger. Wie Stanley Kubricks „2001“ erschließt uns dieser Film das sehr Ferne als zu uns gehörenden Erfahrungsraum.

Hier draußen im All darf nichts schiefgehen. Aber es gibt keinen dauerhaften Zustand der Fehlerfreiheit. In „Gravity“ gehen die Dinge in ganz großem Maßstab schief. Der Trümmersturm eines gesprengten Satelliten fegt dem Shuttle und dem Labor in die Quere, und bald ist da nur noch Bullocks verzweifelte Ryan Stone, die durch Stationen schwebt, die sich in Schrott verwandelt haben. Ihr Versuch, sich zu retten, wird als extremer Notstand akkurat vermessen. Zugleich aber entfalten sich immer wieder Bilder voll unaufdringlicher Symbolik für Leben und Tod.

Ein Glanzstück Hollywoods

Als sich Stone einmal ins vorerst noch intakte Modul einer Raumstation gerettet und aus ihrem schweren Raumanzug geschält hat, lässt sie sich in der Schwerelosigkeit erschöpft treiben. Ihre Beine schweben hoch, ihre Knie gehen Richtung Bauch, die Frau kringelt sich in eine Embryonalhaltung. Aber in diesem Mutterleib aus Stahl und Klimasystemen wird sie nicht lange bleiben können. Die Luft wird überall knapp.

Erzählerisch schlank und druckvoll, ist „Gravity“ auch eine Leistungsschau der Filmtricks. Das Auge bemerkt die Nähte zwischen 3-D-Fotografie und computergenerierten Bildern nicht – dabei sind die Körper in Raumanzügen im All Computerkreationen, denen die Gesichter der Schauspieler hinter die Helmscheiben getrickst wurden. „Gravity“ ist ein Glanzstück Hollywoods, nicht nur gemessen am miesen US-Angebot der letzten Monate.