Kinokritik: der Dokumentarfilm „But beautiful“ Wie wir anders besser leben könnten

Erwin Wagenhofers Dokumentarfilm „But beautiful“ zeigt Beispiele für nachhaltige Lebensmodelle.
Stuttgart - „Nichts existiert unabhängig“ – diesen Satz des Dalai Lama hat der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer zum Untertitel seines Films gemacht. „Kooperation statt Konkurrenz“ lautet das Credo seiner Protagonisten, die alle praktisch vorführen, wie die Menschheit anders besser leben könnte. Das indische Barefoot College bildet Frauen aus Afrika und Asien zu Solartechikerinnen aus, die in ihren Dörfern für Strom sorgen, deutsche Aussteiger auf der Kanareninsel La Palma zeigen, wie sie ausgelaugtes Land wieder urbar gemacht haben und nun fast autark leben, ein österreichischer Fabrikant nachhaltiger Holzhäuser erklärt, wie der Wald als gemeinschaftlicher Organismus funktioniert. So wie Jazzbands, die er als lebende Beweise für Kooperation zeigt und deren Musik den Film untermalt.
Wagenhofer ist ein investigativer Regisseur, sein Film „We feed the World“ (2005) über die Nahrungsmittelproduktion wurde zum wichtigen Debattenbeitrag. Auch das Finanz- und das Bildungssystem nahm er kritisch unter die Lupe. Nun dreht er den Spieß erstmals um: Er schaut nicht auf die Probleme, sondern auf mögliche Lösungen. Das tut er mit großer Ruhe, die Bilder sprechen für sich.
Es war schwer, Beispiele zu finden
„Am Schluss meines Film ,Alphabet‘ zitiert der Bildungsexperte Ken Robinson einen Satz von Benjamin Franklin: Es gibt drei Sorten von Leuten, solche die unbeweglich sind, solche die beweglich sind und solche, die sich bewegen“, sagt Wagenhofer im Interview. „Wir haben Menschen gesucht, die sich bewegen. Die Herausforderung war, Beispiele zu finden, wo das echt ist. Wir haben viele Drehs abgebrochen oder Material nicht verwendet, wo Leute etwas nur vorgeben. Da sieht man einen grünen Anstrich, aber dahinter ist die alte Haltung.“
Wagenhofers Ausgangspunkt war der Jazz: „Gute Musiker verstehen, dass man zusammenspielt, und nicht gegeneinander wie in der in der Wirtschaft.“ Seine Kritik ist diesmal grundsätzlicher Natur, sein Film propagiert einen nachhaltigen Lebensstil, der nur möglich wird, wenn sich einige Regeln des Lebens stark verändern. „Kooperation statt Konkurrenz bedeutet das komplette Gegenteil unseres Wirtschaftssystems“, sagt Wagenhofer. „Wir können uns das derzeitige System nicht mehr leisten können, es hat all die Probleme verursacht, mit denen wir jetzt kämpfen. Immer mehr Menschen spüren, das etwas gar nicht mehr stimmt.“ Eine Lösung liegt für ihn auf der Hand: „Die Welt muss weiblicher werden. Konkurrenz ist ein Männderding, Frauen sind verbindender, integrativer.“
But beautiful – nicht existiert unabhängig. Deutschland/Österreich 2019. Regie: Erwin Wagenhofer. 116 Minuten. Ab 6 Jahren. Atelier am Bollwerk
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