Fatih Akin reduziert Heinz Strunks Geschichte über einen Soziopathen Roman zum Gruselfilm.

Stuttgart - So beschreibt Heinz Strunk den Seelenzustand des Alkoholikers und Serienmörders Fritz „Fiete“ Honka, der gerade wieder eine Obdachlose zu sich nach Hause abgeschleppt hat: „Und jetzt die nächste Oma. Als er sie von sich wegdrückt, grunzt sie. Er hat den Kater von eineinhalb Flaschen Korn und jeder Menge Bier. In seinem Sack gärt es. Er guckt an die Decke zu den Pin-up-Girls und stellt sich was vor. Dann schiebt er den Kittel hoch. Ihm ist gerade alles egal, wenn er nur nicht in das Gesicht mit dem Gebiss gucken muss. Er ist gut darin, sich etwas Schönes vorzustellen. Mit schwacher Vorstellungsgabe hält man das alles nämlich nicht aus, da muss man sterben.“

 

„Der goldene Handschuh“ besteht über weite Strecken aus inneren Monologen des Protagonisten, dessen verquere Weltsicht aus seiner Perspektive tatsächlich einen gewissen Sinn ergibt. Nur deshalb kann man mit ihm durch St. Pauli stolpern und sein Unterschicht- und Spelunken-Elend aushalten. Der Hamburger Filmemacher Fatih Akin, der zuletzt mit dem Nazi-Drama „Aus dem Nichts“ für Aufsehen sorgte, hat den Kiez der 70er liebevoll nachbauen lassen wie auch Fietes Stammkneipe, den goldenen Handschuh. Und er hat den Darsteller Jonas Dassler mit falschen Zähnen und Schiel-Kontaktlinsen in ein Monster verwandelt.

Ohne den inneren Monolog des Protagonisten fehlt jede Einordnung.

Außerdem hat Akin sich dazu entschlossen, Nebenhandlungen auszublenden und sich sich ganz auf den Protagonisten zu konzentrieren – dessen inneren Monolog aber ebenso wegzulassen wie eine entscheidende Rückblende. Das hat gravierende Folgen, denn nun fehlt jede Einordnung: Wer das Buch nicht kennt, sieht nichts weiter als einen saufenden Rüpel, der Frauen schlägt, missbraucht, versklavt, umbringt, zersägt und unter der Dachschräge verstaut. Der blanke Horror ist das, befremdlich und unschön. Wieso tut Honka das? Wieso fällt er in dem Betrieb, in dem er als Nachtwächter arbeitet, plötzlich über die ihm wohlgesonnene Putzfrau her? Keine Antwort.

Akin verzichtet auch darauf, den Geldadel zu zeigen, aus dem der ungelenke Junge kommt, der eine Mitschülerin mit einem Kiez-Ausflug beeindrucken möchte – diese beiden Figuren kommen aus den Nichts und bleiben in der Luft hängen. Als extrem schwierig erweisen sich die Macho-Sprüche, die das eigentlich originelle, sexuell unterversorgte Grusel-Personal im Handschuh klopft und die Fietes Bruder Siggi ohne Punkt und Komma absondert: „Tod allen Huren, die die Beine zuklemmen!“, ruft er im Suff. Bei Strunk liest sich das skurril, man zweifelt keinen Moment daran, dass unverhohlener Sexismus zur damaligen Zeit dort zum Alltag gehört hat. Im Film aber, zumal ohne große Erklärung, wer die Leute sind und warum sie so sind, wirkt das Geschwätz oft seltsam schal.

Besonders unangenehm erscheint die physische und verbale Gewalt gegen Frauen, weil Akin die Zuschauer in die Rolle von Voyeuren zwingt. Sie werden Zeugen eines wüsten Treibens, bei dem es nichts zu gewinnen gibt – schon gar keine Erkenntnis.