Kinokritik: Der wunderbare Garten der Bella Brown Das gute Herz des Menschenfeinds

Jessica Brown-Findlay spielt die Hauptrolle in „Der wunderbare Garten der Bella Brown“: eine Träumerin, die sich vor der Natur fürchtet, und Hausfrau, die gerne Kinderbücher schreiben würde. Das ist nicht glaubwürdig, funktioniert aber trotzdem gut.
Stuttgart - Die Engländerin Jessica Brown-Findlay, bekannt als Lady Sybil Crawley aus der Serie „Downton Abbey“, verfügt über natürlichen Charme. Man möchte ihr gerne vieles abkaufen, eines aber fällt schwer: sie sich als autistische Kinderbuch-Träumerin vorzustellen, die pedantisch Geschirr und Essen hindekoriert, während sie den Garten verwildern lässt aus Angst vor der chaotischen Natur. Genau diese Rolle spielt sie nun und sieht dabei die ganze Zeit über so aus, als würde sie im nächsten Moment rufen: „Überraschung! Ich bin in Wahrheit jung, klug, schön und selbstbewusst und stecke euch alle in die Tasche!“
Letztlich ist die ganze Geschichte wenig glaubwürdig, die der Regisseur und Drehbuchautor Simon Aboud seinem Publikum als „modernes Märchen“ unterschieben möchte; sie ist zugleich aber so liebenswert, dass man sie trotzdem mögen darf. Ganze Arbeit leisten dabei die Nebendarsteller, die auch die stets sympathisch und aufgeweckt wirkende Jessica Brown Findlay durch den Film tragen.
Mäkeln, giften, murren
In erster Linie ist das der englische Charakterdarsteller Tom Wilkinson als misanthropischer Nachbar und Wundergärtner Alfie, ebenfalls eine sehr unwahrscheinliche Figur. Wilkinson erweckt sie bravourös zu prallem Leben wie so manche zuvor, den manischen Rechtsanwalt im Thriller „Michael Clayton“, den wankelmütigen Nazi-Offizier in „Operation Walküre“, den großmäuligen Gangster-Boss in Guy Ritchies Farce „RocknRolla“. Es ist eine wahre Freude, dem Charakterdarsteller dabei zuzuschauen, wie er mäkelt, giftet, murrt und am Ende tatsächlich auch dann noch die Kurve kriegt, als Alfie sein lange verschüttetes großes Herz wiederentdeckt.
Der Engländer Jeremy Scott gibt Bellas autistischen männlichen Gegenpart Billy, der sie mit seinem Erfindungsreichtum beeindruckt, aber nicht ganz ehrlich zu sein scheint. Der irische Schauspieler Andrew Scott betätigt sich als dienstbarer Geist namens Vernon, der den garstigen Alfie ein wenig zappeln lässt, damit dieser zur Vernunft kommt.
Hier sehen Sie den Trailer:
Magisches Leben im Blütenmeer
Aboud erlaubt sich in seinem märchenhaften Szenario einige Stilisierungen, um visuell zu einem stimmigen Gesamtbild zu kommen, wo sein Budget hyperrealistische Tricktechnik nicht hergegeben hat. Fantasiewesen erwachen da für Momente zu magischem Leben, und nicht nur für Hobbygärtner ist es eine Lust, wie der Garten sich nach und nach von einem schwarzen Dschungel in ein buntes Blütenmeer verwandelt. Letztlich entspricht der Film dem Kinderbuch, das die schüchterne Bella gerne schreiben und zeichnen würde.
Die Botschaften erscheinen simpel, Aboud preist die Kraft der Fantasie und die Vorzüge eines verträglichen Miteinanders. Das ist nicht sonderlich originell, kann aber offenbar nicht oft genug wiederholt werden in einer Welt, in der ungehobelte Egomanen und schwerreiche Bildungsfeinde Machtkalkül und Bauchgefühl über Fakten stellen und an der Zukunft der Menschheit zündeln.
Der wunderbare Garten der Bella Brown. Großbritannien, USA 2016. Regie: Simon Aboud. Mit Jessica Brown Findlay, Tom Wilkinson, Jeremy Irvine. 92 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.
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