Kinokritik: Gelobt sei Gott Wie die katholische Kirche Kinderschänder deckt

Den Opfern pädophiler Geistlicher möchte der französische Filmregisseur François Ozon ein Stimme geben – und das ist ihm mit „Gelobt sei Gott“ gelungen.
Stuttgart - Kampfeslustig stürzt sich François (Denis Ménochet) in den Disput mit der Kirche, die den pädophilen Priester deckt, der ihn und andere einst missbrauchte – doch bald reißen die alten Wunden wieder auf. Zum Glück halten die Leidensgenossen zusammen, die aus der Deckung gekommen sind nach einem Aufruf des TV-Finanzexperten, Familienvaters und gläubigen Katholiken Alexandre (Melvil Poupaud). Der hat den Peiniger zufällig entdeckt und gestellt, doch weder eine Entschuldigung bekommen noch ein Schuldbewusstsein seitens der Kirche gespürt, in deren Namen der Übeltäter gar weiterhin Kinder betreut. Auch Emmanuel kommt zu den Treffen der Opfer, ein schmucker Großstadtcowboy, aber innerlich völlig zerrissen und kaum in der Lage, eine Beziehung zu führen.
Sehr nah kommt der französische Filmregisseur François Ozon den Missbrauchsopfern katholischer Würdenträger, einfühlsam begleitet er sie und ihre Familien beim Versuch, mit dem Kindheitstrauma und der psychischen Last fertigzuwerden. Und er zeigt eine Kirche, die wie so oft nur an sich selbst denkt und die Täter deckt. Ozon hat einen realen Fall aus Lyon aufgegriffen und fiktionalisiert, der Priester Bernard Preynat und der ihn schützende Kardinal Philippe Barbarin sind inzwischen beide verurteilt.
Oft werden die Peiniger nur versetzt
Ozon rückt skandalöse Zustände ins Licht der Öffentlichkeit, wo sie schon lange hingehören. Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche gehört zu den schändlichsten Verbrechen: Die Täter nutzen ihre Machtposition gegenüber Schutzbefohlenen im Schutz einer Einrichtung, die Moral predigt und bei eigenen Verfehlungen traditionell abwiegelt, vertuscht, verschweigt. Oft versetzt sie die überführten Kinderschänder einfach nur in andere Gemeinden, wo sie nicht selten weiter ihr Unwesen treiben. Papst Franziskus hat das endlich offen angeprangert und Besserung gelobt. Der Druck ist auch gewachsen, weil sich immer mehr Opfer an die Öffentlichkeit wagen.
Allerdings bedient Ozon sich einer irritierenden Dramaturgie: Er springt von Protagonist zu Protagonist und verliert die jeweils anderen mitunter lange aus den Augen. Zudem ist sein Film mit 137 Minuten länger geraten, als er hätte sein müssen – kein Vergleich etwa zu Tom McCarthys dichtem, mit dem Oscar prämiertem Missbrauchs-Thriller „Spotlight“ (2015). Ein wichtiger Beitrag bleibt Ozons Werk dennoch, das herausragende Szenen bietet wie die, in der Barbarin sich bei einer Pressekonferenz verspricht: „Gott sei dank sind die meisten Fälle verjährt.“
Gelobt sei Gott. Frankreich 2019. Regie: François Ozon. Mit Melvil Poupaud, Denis Méchonet, Swann Arlaud. 137 Minuten. Ab 6 Jahren. Atelier am Bollwerk
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