Die transatlantische Romanze nach einem Roman des englischen Popliteraten Nick Hornby ist liebenswert geraten, macht aber zu wenig aus ihrem großen komödiantischen Potenzial.

Stuttgart - Die humoristischen Romane des britischen Autors Nick Hornby bieten dankbare Filmstoffe, der Autor liebt seine kauzigen Figuren und ihre seltsamen Leben. Stephen Frears gelang eine achtbare Version von „High Fidelity“ (2000), allerdings verlegte er den Plattenladen im Zentrum der Handlung nach Chicago, was die Komödie ihrer „Britishness“ beraubte. Die Adaption von „About a Boy“ (2002) lebte davon, dass Hugh Grant mit dem ihm eigenen englischen Witz als eigenbrötlerischer Privatier brillierte.

 

„Juliet, naked“ nun ist transatlantisch angelegt. Im verschlafenen englischen Küstenort Sandcliff leben Annie und Duncan leidenschaftlos nebeneinander her. Er ist ein glühender Fan des fiktiven US-Songwriters Tucker Crowe, der nach seinem erfolgreichen Album „Juliet“ einfach von der Bildfläche verschwand. Nun tauchen die akustischen Demos auf, die produktionstechnisch „nackt“ klingen (englisch: „naked“), und Duncan schreibt in seinem Fanblog eine Lobpreisung. Annie antwortet anonym mit einem Verriss – und bekommt daraufhin eine E-Mail von Tucker Crowe persönlich. Der lebt in Pennsylvania in einem Patchwork-Labyrinth, ganz Rockstar hat er fünf Kinder von vier Frauen. Und als wäre sein Leben nicht kompliziert genug, ereilt ihn dann auch noch ein Herzinfarkt, der seine Englandreise verzögert.

Hawke spielt den überforderten Familienmenschen

Menschliche Irrungen und Wirrungen stehen im Mittelpunkt der Geschichte, und Rose Byrne („X-Men: Erste Entscheidung“) windet sich ganz zauberhaft als etwas ungelenke Bibliothekarin, die an einen leicht verlebten amerikanischen Charmeur gerät. Ethan Hawke spielt hier den überforderten, aber sympathischen Familienmenschen, als der er schon in Richard Linklaters Langzeitprojekt „Boyhood“ zu sehen war. Dass diese beiden zusammenfinden sollen, wirkt abenteuerlich und bietet ein Weile lang einen gewissen Reiz. Ein Rätsel bleibt, wieso Annie so lange an dem stoffligen Egomanen Duncan festgehalten hat, den der irische Komödiant Chris O’Dowd als um sich selbst kreisende Nervensäge anlegt.

Leider hat sich das Autorenteam offenbar nicht getraut, die auf der Hand liegenden Konflikte voll auszuspielen. Und auch der US-Filmregisseur Jesse Peretz, der zunächst als Gründungsmitglied und Bassist der Alternative Rock-Band The Lemonheads bekannt wurde und dann etliche Episoden der Serie „Girls“ realisierte, strotzt vor Freundlichkeit – sonst hätte er viel mehr gemacht aus dem Umstand, dass Annie viel zu wenig Familie hat (nur eine lesbische Schwester) und er viel zu viel.

Am Krankenbett kollidieren Frauen und Kinder miteinander

Wenn Tuckers Frauen und Kinder an seinem Krankenbett miteinander kollidieren, blitzt das Potenzial auf, oder wenn er mit seinem kleinen Sohn Jackson und Annie im Zug sitzt, das Kind an ihrer Schulter schläft und eine Schaffnerin die süße Kleinfamilie bewundert, die gar keine ist. Oft aber lässt Peretz die Handlung und die Figuren vor sich hin dümpeln, umspült von englischer Skurrilität und amerikanischer Überschwänglichkeit. Das ist durchaus unterhaltsam, und die englische Küstenkulisse strahlt wie aus dem Bilderbuch – Dramatik oder Dringlichkeit aber kommen im insgesamt sehr entschleunigten Szenario eher selten auf.

Man glaubt gern, dass Annie und Tucker gute Freunde werden könnten, genau darin liegt auch das Handicap der behaupteten Romanze. Tatsächlich umkreisen Rose Byrne und Ethan Hawke einander ein wenig unentschlossen, als wären sie sich nicht sicher, was aus ihren Figuren werden soll. Letztlich mogeln sich irgendwie ins Ziel in diesem Film, den man mögen möchte und der wirklich nett ist – was in diesem Fall nicht als Höchststrafe gemeint ist, sondern ganz lieb wie das Werk selbst.