Greta Gerwig hat das uramerikanische Frauenepos „Little Women“ neu verfilmt – mit einer starken Besetzung, die nicht immer über die Alltagsromantisierungen eines sehr gestrigen Gesellschaftsbilds hinauskommt.

Stuttgart - Es ist nicht eindeutig überliefert, wie Louisa May Alcott den Titel ihres Frauenromans „Little Women“ (1868/69) gemeint hat: Als Hinweis auf den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein, den ihre Heldinnen durchlaufen? Oder als Anspielung auf die Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern zur damaligen Zeit? Angesiedelt an der Nordstaaten-Heimatfront in Massachusetts in und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, erzählt Alcott aus dem Leben von vier Schwestern, Meg, Jo, Amy und Beth March. Moderat deutet sie an, dass die nationale Verwerfung eine Modernisierung der USA nicht nur mit Blick auf die von der Sklaverei befreiten Afroamerikaner brachte, sondern auch mit Blick auf die starren Geschlechterrollen: Auch sie gerieten in Bewegung.

 

Das Buch hat viele Interpretationen erfahren bis hin zur Behauptung, Alcott habe darin das „All-American Girl“ erfunden, die tugendhafte weiße Amerikanerin von nebenan, die von Gleichberechtigung zumindest träumt. „Little Women“ ist zigfach auf die Bühne gebracht und verfilmt worden, Greta Gerwigs aktueller Anlauf ist der siebte für die Kinoleinwand. Die Hoffnung war berechtigt, dass die mit 36 Jahren noch junge Charakterdarstellerin („Frances Ha“) und intelligente Regisseurin („Lady Bird“) der alten Geschichte einen zeitgenössischen Dreh geben würde. Das aber gelingt ihr allenfalls in Ansätzen.

Ein episodischer Fluss ohne Plot

Einen Plot hat die Geschichte nicht wirklich, das Werden der jungen Damen vollzieht sich in einem episodischen Fluss mit Zeitsprüngen und ohne große dramatische Höhepunkte. Was aus dem Leben machen? Wen heiraten? Welchen Konventionen nachgeben? Welchen nicht, selbst wenn das gesellschaftliche Nachteile mit sich bringt? Und vor allem: Welches Kleid anziehen? Darum geht es, während schmucke Jünglinge in den Blick geraten, wenn die Schwestern miteinander durch Krisen gehen, Laientheater inszenieren, den armen Nachbarn helfen und kleine Zwistigkeiten austragen.

Im Zentrum steht Josephine („Jo“) March, die als Lehrerin in New York arbeitet und Autorin werden möchte. Sie verkauft erste Geschichten an Verlage, als ein Brief sie nach Hause ruft, weil ihre jüngste Schwester krank ist. Saoirse Ronan, die in Gerwigs Coming-of-Age-Geschichte „Lady Bird“ die Hauptfigur vielschichtig geformt hat, gibt mit Jo den Prototyp der burschikosen Frau, der ihre Unabhängigkeit über alles geht. Sie ist zu Recht zum vierten Mal für einen Oscar nominiert, für die Schauspielerin Florence Pugh indes ist es das erste Mal. Brillant spielte sie im Historiendrama „Lady Macbeth“ (2016) die zwangsverheiratete Frau, die mörderische Züge entwickelt. Auch ihre Amy March, die sich als Kunstmalerin in Paris versucht, hat einen eigenen Kopf und bringt ihre missmutige Tante (abermals umwerfend: Meryl Streep) zur Verzweiflung. Amy gehört eine Schlüsselszene, in der sie sämtliche Dilemmata von Frauen damals auf den Punkt bringt.

Viel Sehnsucht, viele Plattitüden

Emma Watson dagegen kommt nicht hinaus über hübsche Biederkeit mit dem Hauslehrer und dem späteren Hadern mit dessen schmalem Einkommen. Fast wünscht man ihr, sie möge den Zauberstab zücken, sich hinaushexen aus der Enge dieser Figur und zurückfinden zur starken Persönlichkeit, die sie in „Harry Potter“ war. Blass bleibt Eliza Scanlen als kränkelnde Beth – und kaum wiederzuerkennen in ihrer naiven Herzigkeit ist und Laura Dern („Wild at Heart“), die als treusorgende Mutter eine Plattitüde nach der nächsten von sich gibt mit dem Tenor: Habt euch alle lieb!

Immer wieder propagieren die Frauen hier ein Sehnsuchtsamerika, das auch damals kaum mehr als eine Romantisierung gewesen sein dürfte. Es erinnert an verlogene Sonntagsreden republikanischer Politiker über Barmherzigkeit, die aufgesetzt wirken angesichts der harten sozialen Realität in den USA. Männer spielen in „Little Women“ übrigens kaum eine Rolle. Allein Timothée Chalamet als reicher Nachbarsjunge Laurie bietet den Damen eine Herausforderung.

So heilig Amerikanerinnen die Vorlage auch sein mag: Man hätte Greta Gerwig mehr Mut zur Interpretation gewünscht.