In Steven Soderberghs jüngster Kinoproduktion gerät eine junge Frau in die Psychiatrie und erlebt die Hölle. Ist sie das Opfer eines korrupten Gesundheitssystems?

Stuttgart - Seltsam benimmt sich Sawyer (Claire Foy), eine Single-Frau um die dreißig. Ihre Mittagspause verbringt sie am liebsten alleine, ihrer Mutter (Amy Irving) schwindelt sie etwas vor, um sie nicht besuchen zu müssen. Abends gabelt sie einen One-Night-Stand auf, will ihn dann urplötzlich wieder loswerden. Eine echte psychische Störung sieht anders aus – trotzdem landet Sawyer eines Tages in der Geschlossenen, einfach so und ohne Vorwarnung vom Filmemacher Steven Soderbergh, der mit „Unsane“ ein beklemmendes Kinoexperiment abliefert.

 

2011 hatte Soderbergh dem Kino abgeschworen und beteuert, er wolle nur noch fürs Fernsehen arbeiten. Nach TV-Produktionen wie dem Biopic „Liberace“ (2013) und der Krankenhausserie „The Knick“ (2014–2015) kehrte er mit der spritzigen Sozialkomödie „Logan Lucky“ (2017) dann doch zum großen Leinwandformat zurück. „Unsane“ nun ist ein Hybrid aus kinotauglicher Genreerzählung und ästhetischem Wagnis, das sonst eher risikofreudige Streamingdienste eingehen.

Ohne es zu merken, unterschreibt sie ihre Selbsteinweisung

In seinem ausschließlich mit einem iPhone gedrehten Horrorthriller schildert Soderbergh eine psychische Extremsituation. Man erfährt, dass Sawyer vor ihrem Stalker David (Joshua Leonard) in einen anderen Bundesstaat geflüchtet ist. Doch auch hier sieht sie den zudringlichen Kerl überall, weshalb sie eine Psychologin aufsucht. Ohne es zu bemerken, unterschreibt Sawyer ihre Selbsteinweisung und erlebt fortan die Hölle auf Erden. Plötzlich meint sie, ihrem Peiniger sogar in der Psychiatrie ausgeliefert zu sein. Ihr panisches, aggressives Verhalten gegenüber den Pflegern scheint die Diagnose einer bipolaren Störung zu bestätigen. Zutrauen findet Sawyer nur zu Nate (Jay Pharoah), der angeblich wegen seiner Drogensucht behandelt wird.

Mit „Unsane“ knüpft Soderbergh an seinen Thriller „Side Effects“ an, mit dem er sich 2013 in die Auszeit verabschiedete; ein kritischer Blick auf die korrupten Strukturen der US-Pharmaindustrie. „Unsane“ macht nun anhand der uneindeutigen Figur Sawyers die ungeheuere Zwangssituation innerhalb der Psychiatrien fast körperlich spürbar. Neben der beängstigenden Darstellung des Stalkingfalls geht es besonders um die Frage, ob psychiatrische Diagnosetechniken überhaupt zuverlässig sind. Eine Weile bleibt unklar, ob nun Sawyer verrückt ist oder aber das System, das sie zur Irren erklärt. Mit der Logik nimmt es Soderbergh nicht immer genau, ein derartig atmosphärisch starkes, unkonventionelles Stück Kino sieht man aber selten.

Unsane. USA 2018. Regie: Steven Soderbergh. Mit Claire Foy, Amy Irving, Joshua Leonard. 98 Minuten. Ab 16 Jahren. EM, Metropol, Ufa