Bundesfamilienministerin Franziska Giffey war am Kirbe-Meedich zu Gast – und verkaufte sich gut.

Stuttgart-Feuerbach - Nein, der Musikverein Stadtorchester Feuerbach (MSF) und der Vorsitzende Reinhard Löffler haben sich am vergangenen Montag nicht im Datum geirrt. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete muss nicht auf den politischen Aschermittwoch warten, um im Festzelt eine launige Rede zu halten. Dafür ist beim MSF der traditionelle Honoratiorenstammtisch am Kirbe-Meedich vorgesehen und auch prädestiniert.

 

Drei Stunden saß Löffler am Sonntag an seiner Rede. Das Ergebnis konnte sich hören lassen. Die rund 600 Besucher hatten am Montag ihre wahre Freude. Löffler hatte im Vorfeld seine Rolle klar definiert. Er sei die Vorgruppe und der Anheizer. Er hatte nicht zu viel versprochen. „Bei der folgenden Begrüßung der anwesenden Honoratioren begehe ich eine Ordnungswidrigkeit“, scherzte Löffler. „Die namentliche Begrüßung geht nicht mehr, wegen des Datenschutzgesetzes DSVGO. Wenn ich Ihre Namen nenne, könnten Sie in Ihrer Persönlichkeit verletzt sein, weil jeder mitkriegt, dass Sie schon am frühen Montagmorgen Bier trinken. Noch schlimmer: weil Sie gratis ein Bier trinken und eine Wurst essen und weil das Finanzamt diesen geldwerten Vorteil mitbekommt.“ Das sei nicht ungefährlich. Das habe zum Beispiel schon Bundespräsident Christian Wulff das Amt gekostet. „Die DSVGO nimmt uns Vereine in den Schwitzkasten. Ich darf keine Geburtstage im Vereinsblättle veröffentlichen oder die Namen der Musiker im Orchester preisgeben“, ärgerte sich Löffler. Man brauche einen Datenschutzbeauftragten. Das sei richtig viel Arbeit für die Vereine in Feuerbach. „Der adipöse Amtsschimmel lässt immer die größten Pferdeäpfel fallen. Jetzt hat er auch noch Durchfall und das permanent.“ Die Vereine müssten aufpassen, dass sie keine Abmahnung oder einen Bußgeldbescheid über 50 000 Euro bekommen. „So macht man die ehrenamtlichen Vereine kaputt“, betonte Löffler.

Auch Oberbürgermeister Fritz Kuhn kam nicht ohne Seitenhieb davon: „Ich habe meinen Lieblings-OB eingeladen. Er kommt nicht. Er fremdelt ein bisschen. Ich habe ihn auch gefragt, ob wir den namenlosen Waldweg vom Wiesengrund zu unserem Vereinsheim nach Wolfgang Dannecker benennen dürfen – immerhin mal Sozialbürgermeister und lange Vereinsvorstand“, sagte Löffler. Nein, das ginge nicht, hieß es. Das sei ein zu großer Verwaltungsaufwand. „Und man glaubt es kaum: Es sei den vielen Anwohnern nicht zumutbar.“ Löffler hält die Feuerbacher Bezirksvorsteherin Andrea Klöber auf jeden Fall für die geeignetere Oberbürgermeisterin. Sie solle sich in zwei Jahren definitiv zur Wahl stellen. „Die SPD bekommt keine bessere Kandidatin“, sagte Löffler.

Franziska Giffey möchte Chancengleichheit für alle Kinder

Begeistert zeigte sich der MSF-Vorsitzende nicht nur von Andrea Klöber, sondern auch von einer anderen Sozialdemokratin, die am Montag im Festzelt zu Gast war: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. „Sie ist eine kompetente, medienaffine und promovierte Politikerin“, sagte Löffler. Sie habe in Berlin im Neuköllner Kiez „mit Null Toleranz gegenüber Parallelgesellschaften mit verstaubter Sozialromantik richtig aufgeräumt, die Alt-Sozis gerockt und gezeigt, wo der Bartel den Most holt.“ Dass sie jung und blond ist, reiche dem Schwaben aber nicht aus, „dass es kribbelt“. „Wenn Sie Ihre Festrede gehalten und das Bierfass angestochen haben und die Leute im Zelt sagen, dass Sie jetzt recht ,abgeschafft‘ aussehen, dann haben Sie das größte Kompliment erhalten, das ein Schwabe einer Frau machen kann.“

Und Franziska Giffey strengte sich an, eine Menge Komplimente von den Festgästen zu erhalten: Mit einem lauten „Hallo Feuerbach“ begrüßte sie die Anwesenden. In den ersten fünf Monaten, die sie nun das Amt der Ministerin inne habe, sei sie schon in allen 16 Bundesländern gewesen, sagte sie mit ihrem unüberhörbaren Berliner Akzent. Aber die Schwaben kenne sie auch sehr gut aus der Hauptstadt. Da würden schließlich 300 000 von ihnen wohnen. Sie betrachte aber lieber die Realitäten vor Ort, als Aktenvermerke zu lesen: „Ich gehe zu den Leuten, höre zu und handle dann. Das macht gute Politik aus.“

Sie wolle vor allem dafür sorgen, dass alle Kinder die gleichen Chancen bekommen, „egal, wie es in ihren Elternhäusern aussieht“. Das Problem sei dabei nicht der Migrationshintergrund der Kinder, sondern dass sie in bildungsfernen Familien aufwachsen – „dort, wo sie die einzigen sind, die morgens aufstehen und wo sie nicht vorgelesen bekommen. Wir müssen uns um die 20 Prozent der Kinder kümmern, denen es nicht gut geht und dürfen dabei aber die anderen 80 Prozent nicht vergessen“, betonte Franziska Giffey.

Zwei Schläge und das Fass ist angestochen

Am Ende ihrer Rede gab es noch Geschenke für die Musiker des MSF. Die Ministerin hatte Glückskekse dabei, die in Bruchsal hergestellt wurden und vom baden-württembergischen Landesmarketing vertrieben werden. Einen machte sie selbst auf. Zunächst vermutete sie folgenden Satz im Gebäck: „Viele Menschen träumen vom großen Glück, statt einfach nach Baden-Württemberg zu ziehen.“ Und sie lag gar nicht so falsch mit ihrer Vermutung: „Wenn du glaubst, du findest im Glückskeks ein Jobangebot, hast du einen an der Waffel. Aber versuche es mal in Baden-Württemberg“, war dort zu lesen.

Ob Berlin oder Baden-Württemberg, zumindest für den anschließenden Fassanstich spielte das bei Giffey keine Rolle. Einige Spunde habe sie als Bürgermeisterin von Neukölln schon mit ein bis drei Schlägen versenkt, sagte sie. Und auch am Montag lief alles wie geschmiert. Zwei Mal den Hammer geschwungen und das Bier floss.