Die evangelisches Kirche in Stuttgart lässt in diesen schweren Zeiten allerhand einfallen. Stiftspfarrer Matthias Vosseler produziert kurze Andachten und lädt sie auch auf YouTube hoch. Prälatin Gabriele Arnold: „Wir wollen Mut machen.“

Stuttgart - Prälatin Gabriele Arnold ist dieser Tage ein Ausbund an Optimismus. Obwohl die Coronakrise auch die evangelische Landeskirche samt aller Mitglieder hart trifft, ist sie über die Kraft überrascht, die ihren Glaubensbrüdern und -schwestern innewohnt: „Da gibt es jetzt ganz viel Kreativität.“ Zum Beispiel, dass Gemeindebüros nun zu Anlaufstellen werden, wenn jemand Einkaufshilfe braucht. „Und ganz viele veröffentlichen derzeit Andachten, Predigten oder Impulse auf den jeweiligen sozialen Medien“, sagt die Regionalbischöfin. „Aber wir legen auch Andachten auf Papier in den Kirchen aus.“ Das Gemeindeleben liege nicht lahm, es finde halt anders statt. Die Krise könne jetzt auch Chance sein, noch enger zusammenzurücken. „Zuletzt habe ich von einer Gemeinde auf dem Land gehört, die jetzt alternativ zu den Ostergottesdiensten den Leuten Postkarten und Schoko-Eier in den Briefkasten stecken, um zu zeigen: Wir sind da und denken an euch“, sagt Arnold: „Das sind unsere Mutmachgeschichten.“

 

Pfarrrer als YouTuber

Sie selbst setzt ihre mutmachende Arbeit zusammen mit Pfarrer Matthias Vosseler in der Stiftskirche um. „So geht es auch“, sagt Vosseler nach einem Videodreh: „Diese Zeit wird vieles verändern. Auch in unserer Kirche. Digital jedenfalls zum Positiven.“ Zusammen mit dem Stiftsmusiker Kay Johannsen produziert Vosseler nun Andachten und lädt sie auf YouTube hoch. Die dritte Aufnahme findet man zum Beispiel unter folgendem Link https://youtu.be/sILFaJQ3Lyc. Es ist ein digitales Projekt, das die Familien in ihren Wohnzimmern in dieser schweren Zeit der Coronakrise auch analog im Namen Christi zusammen bringen will.

Inspiriert wurde der Pfarrer durch den italienischen Priester Don Giuseppe Corbari, der in der Lombardei diese Art von digitalen Messen feiert. Der Clou daran: Gläubige schickten dem Geistlichen Fotos von sich, die Don Giuseppe ausdruckte und in die verwaisten Kirchenbänke stellte. Im Geiste waren so all diese Menschen mit ihm in seinem „Selfie-Gottesdienst“ verbunden. Als Papst Franziskus von der Sache gehört hatte, soll er die Idee des Priesters spontan gelobt haben.

Doch Matthias Vosseler fühlt sich nicht nur diesem italienischen Kollegen in diesen Tagen sehr verbunden. Er beruft sich ausdrücklich auf den Reformator Martin Luther. Dessen Verantwortung gegenüber seinen Schäfchen zu Pestzeiten hält Vosseler für „höchst aktuell“: „So will ich Gott bitten, dass er uns gnädig sei und wehre. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen. Arznei geben und nehmen. Orte und Personen meiden, da man meiner nicht bedarf, auf dass ich mich nicht selbst verwahrlose und dazu durch mich vielleicht viele andere vergiften und anstecken und ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache des Todes sein möchte.“

Vorbild Martin Luther

Aber auch Nicolai Opifanti, auch als der „pfarrerausplastik“ bei Instagram bekannt, Pfarrerin Sarah Schindler und René Böckle, Jugendkulturreferent sind auf diesen digitalen Pfaden unterwegs. Sie produzieren (https://www.youtube.com/channel/UCdKI54gce0cZHJRCnAOC7IA) ebenfalls auf YouTube dreiminütige Zuversicht-Clips.

Aber nicht nur digital, auch analog wird die evangelische Kirche in Stuttgart zu hören sein. Ebenfalls von Mittwoch an bis Ostern werden jeden Abend um 19 Uhr die Kirchenglocken in ganz Stuttgart läuten, verbunden mit der Aufforderung, eine Kerze ans Fenster zu stellen und dazu ein Gebet und das Vaterunser zu sprechen oder einen Hoffnungswunsch zu äußern.

„Mit den Zuversicht-Clips und der Kerzenaktion wollen wir Gottes Gegenwart in der Stadt bezeugen und Menschen Mut machen. Gemeinsam werden wir diese Corona-Krise bewältigen“, sagt Stadtdekan Søren Schwesig.