Kirche im virtuellen Raum Als Avatar vor dem Altar

Ein gläubiger Pirat mit Enterhaken an der Linken betritt den noch etwas tristen virtuellen Kirchenraum. Jeder darf sich den Charakter wählen, den er mag. Foto: Wion

Vier Mausklicks für ein Halleluja: Die badische Landeskirche ist in der virtuellen Realität angekommen und testet neue Gottesdienstformen, die wie Computerspiele funktionieren.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Karlsruhe - Es ist ein buntes Kirchenvölkchen, das sich da zu einer ungewöhnlichen digitalen Andacht versammelt hat: Fußballer, Radprofis, Taucher, Zauberer und sogar ein Skelett sind darunter, denn beim deutschlandweit ersten Gottesdienst in virtueller Realität (VR) kann sich jeder Teilnehmer den Avatar aussuchen, der ihm gefällt – ganz wie im Computerspiel.

 

25 Charaktere, jeweils in männlicher und weiblicher Gestalt, stehen zur Wahl. Nur eine Figur im Talar gibt es (noch) nicht. Pfarrer Gernot Meier, Beauftragter der Badischen Landeskirche für die Theologie der Digitalisierung, tritt als Astronaut vor die virtuelle Gemeinde – Hauptsache der Kontakt zum Himmel ist eng.

Erster Test mit bis zu 300 Gästen

Ulli Naefken findet das richtig. Ein Auftritt in der klassischen Amtskleidung evangelischer Geistlicher wäre dann doch ein bisschen zu viel des Guten gewesen, sagt der Digital Producer, der an der Ludwigsburger Filmakademie studiert hat und nun beim Karlsruher Oberkirchenrat das Projekt betreut. Schließlich befinde man sich noch in der Versuchsphase. 300 Interessierte aus dem kirchlichen Bereich durften bei der Premiere teilnehmen. Mehr Besucher hätten die Rechnerkapazitäten gesprengt.

Mag Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen haben, so braucht die Kirche für ihr virtuelles Schöpfungswerk ein wenig länger. Seit 2014 wird an neuen digitalen Verkündigungsformaten gearbeitet, 500 000 Euro hat die Synode bereit gestellt. Die Corona-Krise hat die Entwicklung nun beschleunigt. Online-Gottesdienste, WhatsApp-Andachten und Instagram-Impulse haben Hochkonjunktur. „Wir wollten jetzt sehen, ob auch ein VR-Gottesdienst eine Wirkung hat“, sagt Naefken.

Beten kann der Avatar noch nicht

In der Darstellung gibt es noch Grenzen. Der dreidimensionale Kirchenraum ist kein gotisches Gewölbe, sondern eine triste Messehalle, „also wie beim Kirchentag“, sagt Naefken. Die Avatare können umhergehen, klatschen, den Arm heben, aber nicht die Hände falten. Die Betgeste habe der Dienstleister, eine Firma aus Basel, noch nicht im Portfolio, bedauert der 41-Jährige. Zu Hause am Computer konnte man aber das Vaterunser mitsprechen und sogar wieder singen – ohne Maske und Abstand, ganz wie in einer lang vergangenen Realität.

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