Ein Heilbronner Kindergartenleiter hat 10 000 kinderpornografische Dateien auf seinem Computer. Die Polizei informiert die Kirche, doch dort tut man erst einmal nichts. Die Eltern sind entsetzt, und die Pfarrer selbst fassungslos. Warum wurde zu spät gehandelt und informiert?

Heilbronn -

 

Der Fall des wegen des Besitzes und der Herstellung von Kinderpornografie in Untersuchungshaft sitzenden Leiters eines evangelischen Kindergartens in Heilbronn wächst sich zu einer innerkirchlichen Affäre aus. Wie bei einer öffentlichen Sitzung des Gesamtkirchengemeinderats in Heilbronn bekannt wurde, stand der Mann, obwohl der Arbeitgeber die Vorwürfe kannte, weiterhin lange auf der Gehaltsliste seines Dienstherrn. Erst jetzt habe man die fristlose Kündigung ausgesprochen.

Vor allem der Gesamtkirchenpfleger steht im Kreuzfeuer der Kritik. Der Verwaltungsschef soll bereits im September von der Polizei über die Ermittlungen informiert worden sein. Doch zunächst tat er nichts, später vereinbarte er mit dem langjährigen Mitarbeiter einen Auflösungsvertrag, laut dem er bis zum kommenden September ein Gehalt erhalten sollte. Erst im Januar, als die Staatsanwaltschaft Anklage erhob, wurde der Kindergartenleiter freigestellt. Dennoch behielt er offenbar die Hausschlüssel und hatte auch Kinderkontakte, etwa bei seiner Geburtstagsfeier. „Kinder wurden unnötig gefährdet“, stellte der Schuldekan Jürgen Heuschele fest, der dem Krisenteam angehört, das zur Aufarbeitung gegründete wurde. Es sei völlig unklar, warum nicht nach einer für einen solchen Fall vorliegenden Anweisung gehandelt worden sei, nach der der Schutz der Kinder Vorrang vor der Unschuldsvermutung genieße.

Eltern sind fassungslos

Viele Eltern von Kindergartenkindern zeigten sich fassungslos angesichts der Abläufe und des zögerlichen Verhaltens der Verwaltungsspitze. Einige hielten während der Sitzung als stumme Mahnung Karten mit dem aktuellen Fastenmotto der evangelischen Kirche hoch: „Zeig Dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“ stand darauf.

Während der Sitzung wurde allerdings auch das Bemühen um präzise und wahrheitsgetreue Darstellung aller Abläufe deutlich. Man hätte den 30-jährigen Erzieher schon im September freistellen müssen, räumte der Pfarrer Steven Häusinger ein. Ein Grundfehler sei es wohl gewesen, dass der Fall schwerpunktmäßig nach dem Arbeitsrecht behandelt worden sei, lautete das Fazit des Krisenteams.

Der zuständige Kirchenpfleger erstattete mittlerweile eine Selbstanzeige. Damit wolle er ein Disziplinarverfahren gegen sich in Gang bringen, hieß es. Offen ist, warum der Dekan Otto Friedrich, der seit Ende des vergangenen Jahres im Ruhestand ist, die Weiterverfolgung allein dem Kirchenpfleger überließ und ob es dazu Aktennotizen und Aufzeichnungen gibt. Danach soll nun auch mit juristischem Beistand gesucht werden.

Kritik am Oberkirchenrat

Von Gemeindemitgliedern kam Kritik am Oberkirchenrat, er habe die Heilbronner mit ihren Problemen alleingelassen. Gegen den Beschuldigten selbst wird wegen des Besitzes mehrerer Tausend kinderpornografischer Dateien ermittelt. Mittlerweile besteht auch der Verdacht, dass er einen achtjährigen Jungen dazu missbraucht hat, selbst Material herzustellen.

Auch bei der Polizei hat der Fall des Kindergartenleiters Spuren hinterlassen. Bei der Vorstellung der Kriminalstatistik für 2017 sagte der Polizeipräsident Hans Becker auf Nachfrage, man werde sich selber prüfen, die Abläufe intern aufarbeiten und sich fragen, ob man alles richtig gemacht habe. Das sei man den Kindern schuldig. Bei der Sichtung des Materials habe man wegen der schweren Belastung immer wieder Mitarbeiter ablösen müssen.

Die Polizei hatte erst bei der zweiten Hausdurchsuchung Anfang des Jahres eine Kamera gefunden, auf der sie Hinweise auch auf kinderpornografische Handlungen des Beschuldigten entdeckte. Sie habe aber bei der ersten Durchsuchung im Jahr 2016 schon alles mitgenommen, was Daten enthalten konnte. Eventuell sei die Kamera damals nicht im Haus gewesen. Die Ermittlungen haben fast zwei Jahre gedauert.