Papst Franziskus hat für die katholische Kirche eine Meldepflicht für Fälle sexuellen Missbrauchs erlassen. Kleriker und Ordensleute müssen Missbrauchs- und Vertuschungsfälle umgehend anzuzeigen.

Rom/Vatikanstadt - Schon der vierte Satz des achtseitigen päpstlichen Schreibens hat es in sich: „Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn“, schreibt Papst Franziskus in einem am Donnerstagmittag veröffentlichten Papier, mit dem er neue verbindliche Regeln aufstellt, wie mit Verdachtsfällen von Missbrauch innerhalb der Kirche umgegangen werden soll. Solche Verbrechen verursachten „physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzen die Gemeinschaft der Gläubigen“, so der Papst weiter. Mit der Schrift „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) will Franziskus unter anderem sicherstellen, dass Bischöfe und Ordensobere Rechenschaft über die von ihnen eingeleiteten Maßnahmen ablegen. Ein Vertuschen oder Nicht-Beachten von Anzeigen soll so in Zukunft nicht mehr möglich sein. Dem Verdacht auf Missbrauch muss kirchenintern nun in jedem Fall nachgegangen werden.

 

Das apostolische Schreiben ist eine direkte Folge aus der Missbrauchs-Konferenz, zu der Franziskus im Februar dieses Jahres nach Rom geladen hatte. Drei Tage lang hatten die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen und andere Kirchenobere sich zu dem Thema ausgetauscht und Berichte von Opfern angehört. Dass die Konferenz ohne klare Ergebnisse zu Ende gegangen war, hatte bei Gläubigen und Opferverbänden Enttäuschung hervorgerufen. In einer ersten Reaktion hatte Papst Franziskus Ende März bereits neue Regelungen erlassen, die allerdings nur für die wenigen Bürger des Vatikanstaates gelten. Mit dem nun veröffentlichten Schreiben folgen konkrete Maßnahmen für die gesamte Kirche. Und zwar nicht nur für Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, sondern auch bei Missbrauch von Ordensfrauen, Seminaristen oder volljähriger Novizen.

Keine Meldepflicht an staatliche Behörden festgeschrieben

Besteht in einem Staat eine Meldepflicht von Missbrauchsfällen an zivile Behörden, ist diese wie bisher auch einzuhalten. Das neue Kirchengesetz sieht allerdings nicht vor, dass sich Geistliche prinzipiell an die Polizei wenden sollen. Der Vatikan argumentiert schon lange, dass eine solche Pflicht die Kirche möglicherweise in Ländern in Gefahr bringen könnte, wo Katholiken eine verfolgte religiöse Minderheit darstellen. Die nun eingeführte interne Meldepflicht an die Kirche gilt hingegen in allen Fällen.

Das Schreiben setze eine Reihe von Dokumenten fort, „mit denen Papst Franziskus als universalkirchlicher Gesetzgeber den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch durch kirchliche Amtsträger noch konsequenter und präziser als bisher weiterführen will“, sagte Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag. Der neue Gesetzestext gilt ab dem 1. Juni für vorerst drei Jahre.

Meldesystem in den Diözesen

Mit den neuen Regeln kann nicht nur kirchenintern gegen Kleriker und Ordensleute ermittelt werden, die selbst Straftaten begangen haben, sondern auch gegen diejenigen, die Straftaten vertuschen oder keine Ermittlungen einleiten. Das Dokument „zielt zum einen auf Straftaten, die mutmaßlich von höheren Geistlichen begangen wurden, zum anderen zielt es auf die Pflichten beziehungsweise Pflichtverletzungen derjenigen, die in der Verantwortung stehen, die Straftaten zu verfolgen“, so Ackermann. Das aktuelle Schreiben regelt allerdings nur das Verfahren, wie bei einer Anzeige oder Meldung eines Falls vorgegangen werden soll und den Ablauf der Voruntersuchungen. Von der Bestrafung der Täter ist nicht die Rede.

Zu den geplanten Neuerungen zählt, dass die Diözesen nun innerhalb eines Jahres „feste Systeme“ bestimmen müssen, die der Öffentlichkeit leicht zugänglich sind, um Meldungen über Missbrauch einzureichen. „Hiermit wird gesetzlich festgeschrieben, was wir in Deutschland mit den diözesanen Ansprechpersonen bereits seit 2010 eingerichtet haben“, so Bischof Ackermann. Zum ersten Mal werden auch Fristen für ein Verfahren festgelegt, die die Dikasterien dazu anhalten, möglichst zügig mit ihren Voruntersuchungen voranzukommen. Nach 30 Tagen ist ein erster Bericht abzugeben, nach 90 Tagen sollen die Voruntersuchungen abgeschlossen sein. Auch Laien, also „qualifizierte Personen“, sollen stärker in die Untersuchungen eingebunden werden.