Archäologen haben bei Grabungen unter der Sülchenkirche in Rottenburg (Kreis Tübingen) unter der Bischofsgruft eine ältere Kirche entdeckt.

Rottenburg - In Rottenburg (Kreis Tübingen) hat kirchliche Geschichte und katholische Glaubenskultur ganz tief reichende Wurzeln, hat der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, am Freitag bei einem Termin in der Sülchenkirche erklärt. Das belegten aktuelle archäologische Grabungen und Erkenntnisse. „Sie zeigen, dass Rottenburg als Zentrum unserer Diözese nicht nur ein willkürlich vom damaligen württembergischen König Friedrich als katholischer Bischofssitz ausgewähltes Städtchen bei Tübingen ist.“ Der Bischofssitz Rottenburg besteht seit 1828.

 

Bekannt war, dass Christen in diesem Gebiet schon im 6. Jahrhundert gelebt haben. Älteste Funde sind alemannische Goldblattkreuze, die den Toten beigelegt wurden. Doch die aktuellen Funde stufen die Sülchenkirche vor den Toren der Stadt Rottenburg als geistliches Zentrum eines großen alemannischen und karolingischen Herrschaftsgebiets ein. „Der Ort Sülchen mit seiner weit in die Geschichte zurückweisenden Kirche ist ein Glaubenszeichen, dessen Wert unsere Diözese nicht hoch genug einschätzen kann“, sagte der Bischof.

Die Diözese gibt es erst seit 1828

Die Sülchenkirche, die ihre heutige Form 1513 erhielt, war schon bisher von großer Bedeutung für die Diözese. Unter dem Kirchenschiff liegt die Bischofsgruft für neun seit 1845 verstorbene Bischöfe. Doch Grundwasser hat die zwölf Kammern massiv beschädigt. „Je nach Witterung stand das Wasser knöcheltief, so dass die Grabkammern von Kellerschwamm und Schimmel befallen waren“, sagt der Dompfarrer Harald Kiebler. Vor der Sanierung wurden die Leichname im vergangenen November umgebettet. Die Pläne sahen vor, die Gruft in Richtung Osten um acht weitere sogenannte Grablegen zu verlängern. „Im Zuge der obligatorischen archäologischen Grabung im Boden der Chorhalle wurden Mauerreste einer Vorgängerkirche gefunden“, erklärt Kiebler. Diese Mauerreste sind so bedeutend, dass sie dauerhaft den Besuchern zugänglich gemacht werden sollen, wenn die Kirchensanierung mutmaßlich im Jahr 2015 abgeschlossen sein wird. Die neue Gruft mit den Bischofsgrablegen wird anders als geplant ihren Ort unter dem Kirchenschiff finden.

Dieses frühe Gotteshaus ist keine Dorfkirche gewesen

Ans Licht kamen laut Beate Schmid vom Referat Denkmalpflege des Tübinger Regierungspräsidiums Reste einer Vorgängerkirche aus dem 9. Jahrhundert mit drei Apsiden, also halbkreisförmigen Räumen. Solche Kirchenbauten seien in Süddeutschland bislang völlig unbekannt, sagt Schmid. Wenn der Grundriss der Klosterkirche St. Johann von Mostair, einem Schweizer Unesco-Weltkulturerbe, auf den nun gefunden Drei-Apsiden-Chor gelegt werde, „ergibt sich eine verblüffende Übereinstimmung“. Eine frühe Kirche dieser Bauweise und Größenordnung könne keine Dorfkirche gewesen sein, führt die Denkmalexpertin weiter aus. Sicherlich bestehe ein Zusammenhang mit dem Grafensitz Rottenburg und dessen Blütezeit im frühen und hohen Mittelalter. Bei Weitem nicht abgeschlossene Ausgrabungen seit 1980 haben gezeigt, dass Sülchen einmal 40 Hektar groß war, mehrere Hundert Häuser hatte, sogar geschotterte Straßen waren vorhanden. Die weltliche Metropole ist damit belegt, der Kirchenfund weist auf die Bedeutung als religiöses Zentrum hin.

Bei der Auswahl des Orts für die verstorbenen Bischöfe „war man sich dieser historischen Tiefe nicht bewusst“, sagt Bischof Fürst, „unserer Diözese und der Bischofsstadt tut dieser Ort der Identifikation gut“.