Wie wird die religiöse Landkarte Deutschlands aussehen? Welche Bedeutung werden Glaube und Unglaube haben? Kehren die Götter zurück oder siechen die Religionen dahin? Um diese und andere Fragen geht es in unserer 15-teiligen Serie „Religion und Glaube 2050“.
Stuttgart - Mehr als ein Drittel der Bundesbürger sind heute konfessionslos. Ihre Zahl wird bis 2050 auf rund 40 Prozent steigen. Der Religionssoziologe Detlef Pollack von der Universität Münster ist der Meinung, dass die Abkehr von Glaube und Kirchenicht unbedingt bewusst geschieht. Vielmehr handle es sich um einen langsamen, schleichenden Prozess der Entfremdung, in dem die Religiosität eine immer geringere Rolle spielt.
Religiöse Fragen sind für viele nachrangig
Pollack verweist auf den Zusammenhang zwischen wachsendem Wohlstand und abflauender Religiosität. Je vielfältiger und pluraler eine Gesellschaft sei, desto mehr Alternativen gebe es zu dem, was die Kirchen an Glaubens- und Handlungsoptionen anbieten. „Für die Mehrheit der Menschen sind religiöse Fragen oft nachrangig. Viele meinen, es gebe in ihrem Leben Wichtigeres.“
Säkulare Spiritualität
Der Reiz nach immer Neuem, nach dem Kick und Nervenkitzel ist für viele wie eine pseudo-spirituelle Droge. Ohne ekstatische Überschreitung des Selbst und Sinnfindung in Extremerfahrungen fühlen sie sich leer und unausgefüllt. Freizeit und Sport werden zur neuen Religion einer säkularisierten und religiösen Erfahrungen gegenüber offenen Gesellschaft.
Hat eine geistige Haltung, die auf ein rein innerweltliches Gut und Glück ausgerichtet ist, überhaupt noch etwas mit Spiritualität zu tun? Ja, aber nicht im klassischen auf eine transzendente Wirklichkeit bezogenen Sinn. Wenn man Spiritualität allerdings weiter fasst und als bewusste Hinwendung und aktive Praxis einer als richtig erkannten Weltanschauung definiert, dann sind auch Extremsportarten und Konsumtrends wie Wellness, Veganismus, Simplifying, Ganzheitlichkeits-, Achtsamkeits- oder Fitness-KultAusdruck einer immanenten Geistigkeit.
Konsumtrends als Religionsersatz
Konsumtrends können zum Religionsersatz werden. Die zukünftige Sinn- und Seligkeitserfahrung im „Himmel“ wird komplett auf die Erde transferiert. Das Jenseits wird im Diesseits – und nur hier – erlebbar. Nach dem Motto: Man lebt nur einmal müssen die Jünger der säkularen Selbsterfahrungstrends mächtig Gas geben, um auch ja nichts an Moden und Trends in ihrem Leben zu verpassen.