Mehrere Hundert Menschen sind am Sonntagmorgen zu der Entweihung der Vinzenz-Pallotti-Kirche in Birkach gekommen. Im Januar wird das Gebäude abgerissen.
Stuttgart - So viele Gottesdienstbesucher wie am Sonntagmorgen auf den Kirchenbänken in der Vinzenz-Pallotti-Kirche Platz genommen haben, saßen dort seit Jahren nicht mehr. Im Januar 2014 fand in der katholischen Kirche in Birkach der letzte Gottesdienst statt, damals waren gerade einmal 15 Menschen anwesend. Am Sonntag jedoch kamen mehrere Hundert Menschen, um der Filialkirche der Gemeinde Sankt Antonius in Hohenheim die letzte Ehre zu erweisen. Das Gebäude wurde im Rahmen eines Gottesdienstes durch Gebhard Fürst, Bischof der Katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, entweiht. Nun ist es ein weltliches Gebäude. Im Januar 2018 wird es abgerissen, dann entsteht ein Wohnquartier.
„Das ist kein einfacher Tag heute“, sagte der Pfarrer Stefan Karbach während des Gottesdienstes am Sonntag. „Glücklicherweise kommt es nicht so oft vor, dass Bischöfe die letzten Gottesdienste in einer Kirche feiern.“ Die Profanierung der 1966 geweihten Kirche ist die zweite im gesamten Stuttgarter Stadtgebiet. Im Mai 2016 wurde die Kirche Sankt Peter in Bad Cannstatt abgerissen, an ihrer Stelle wurde jedoch eine neue Kirche gebaut.
Mitglieder sind nach Hohenheim abgewandert
Die Gründe dafür, warum das bischöfliche Ordinariat das Birkacher Kirchenareal 2013 zur Standortentwicklung freigab, liegen vor allem in der starken Abwanderung der Gemeindemitglieder in die Antoniuskirche nach Hohenheim begründet. Diese ist nur zwei Kilometer entfernt, liegt jedoch neben der Plieninger Garbe zentraler und besser angebunden. „In den Jahren 1999 und 2000 wurde die Antonius-Kirche in Hohenheim renoviert. Seitdem war sie für viele Mitglieder attraktiver als die Pallotti-Kirche“, erläuterte der Pastoralreferent Odilo Metzler. Seitdem hätten dort auch die Familien- und Kindergottesdienste stattgefunden. Außerdem seien die sonntäglichen Gottesdienstzeiten für viele ein Grund gewesen, nach Hohenheim zu wechseln: Dort beginnt der Gottesdienst um 11 Uhr, in der Pallotti-Kirche mussten sich die Gläubigen bereits um 9.30 Uhr einfinden. Dies alles habe dazu geführt, dass sich immer mehr Gemeindemitglieder von Birkach weg und hin nach Hohenheim orientierten, sagte Metzler.
Für Bischof Fürst war es das erste Mal, dass er eine Kirche entweihen musste: „Das ist auch für mich sehr schmerzlich, Ihnen das zuzumuten“, sagte er zu den Menschen auf den Kirchenbänken. „Die Vinzenz-Pallotti-Kirche war ein hoffnungsvoller Ort.“ Sie sei aber auch eine Kirche gewesen, die für eine so große Anzahl an Menschen gebaut wurde, wie bei der Profanierung anwesend waren – und so eine Menge war zuvor eben nicht mehr die Realität. Auch nach dem Abriss der Kirche soll der Ort in gewissem Rahmen ein Ort des christlichen Glaubens bleiben. Neben den 66 Wohnungen, die das Siedlungswerk für Familien, Studenten und Flüchtlinge baut, werden einige Schwestern der Franziskanerinnen von Sießen hier einen Konvent eröffnen, außerdem soll eine Kapelle gebaut werden. Zudem soll sich der von der katholischen Kirche getragene Vinzenz-Pallotti-Kindergarten an der Stelle von einer Gruppe auf vier Gruppen vergrößern.
Es soll eine Kapelle gebaut werden
Sichtlich schmerzhaft für viele Gemeindemitglieder war am Sonntag der Moment, als der Pfarrer Karbach dem polnischen Pfarrer Maciej Pliszka die große Holzstatue des Vinzenz Pallotti überreichte. Dessen finanziell knapp ausgestattete Gemeinde Korytowo nahe Stettin wird die Kirchenbänke, den Altar, die Kanzel, das Kreuz und die Glasfenster übernehmen und in ihrer Kirche verwenden. Die Orgel geht an die neu gebaute Kirche Sankt Peter in Bad Cannstatt.
Als es am Sonntag schließlich so weit ist, greifen einige Besucher zum Taschentuch: Der Pfarrer Karbach und einige Helfer entfernen die Reliquien aus dem Altar, Bischof Fürst pustet die Kerzen aus. Nach und nach stehen die Menschen auf. Während sie die Kirche verlassen, bleibt die Orgel still. Und auch die Glocken läuten nicht mehr.