Die katholische Kirchengemeinde St. Elisabeth bietet künftig immer samstags für eine Stunde einen Ort des Zuhörens an.

S-West - Ein offenes Ohr, ein Gesprächspartner, der einfach zuhört, vielleicht auch mal einen Rat gibt – das kann schon Gold wert sein, wenn man Sorgen und Nöte hat. Doch nicht selten fehlt den Betroffenen die Person, die sich Zeit nimmt, vorurteilsfrei zuzuhören. Oder sie haben niemanden, mit dem sie sprechen können. „Die Erfahrung aus Großstädten zeigt, dass es das Problem der wachsenden Anonymisierung gibt“, sagt Dominik Weiß. Er ist Pastoralreferent der katholischen Kirchengemeinde St. Elisabeth.

 

Die Gemeinde möchte von kommenden Samstag an diesen Menschen einen Raum geben, einen Ort des Zuhörens. Die Idee geht auf den 2012 verstorbenen Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini zurück. In Deutschland, auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, gibt es das Angebot schon in einigen Gemeinden. St. Elisabeth fasste vor einem Jahr den Entschluss, ein Ort des Zuhörens zu werden, und fand neun Gemeindemitglieder, die sich zu kompetenten Gesprächspartnern haben ausbilden lassen.

Die Zuhörerinnen haben eine Ausbildung absolviert

Eine von ihnen ist Ellen Gaus. Die 69-Jährige wohnt seit 42 Jahren an der Bismarckstraße und ist genauso lange Mitglied in St. Elisabeth. In einer Predigt im Sonntagsgottesdienst hat sie das erste Mal von dem Angebot gehört und beschlossen, sich bei Dominik Weiß zu melden. „Als ich noch berufstätig war, hatte ich keine Zeit für ein Ehrenamt“, sagt sie. Seit 2005 ist sie im Ruhestand und die Idee von Orten des Zuhörens hat sie überzeugt. „Es fällt mir leicht, auf Menschen zuzugehen und ich kann auch gut zuhören“, sagt sie. Damit hat sie zwei wesentliche Eigenschaften, die notwendig sind für dieses Ehrenamt, dass nach den Worten von Weiß sehr anspruchsvolles ist.

Im Oktober haben die neun Ehrenamtlichen – allesamt Frauen – mit ihrer Ausbildung begonnen, die vom Caritas Verband und der Caritas Konferenz angeboten wird. An mehreren Abenden und zwei Samstagen sind Ellen Gaus und ihre acht Mitstreiterinnen auf ihre kommenden Aufgaben vorbereitet worden. Denn die Damen können nie wissen, ob jemand kommt, der nur ein bisschen plaudern möchte, oder ob sie mit schwerwiegenden Problemen und Schicksalen konfrontiert werden. Eine gute Vorbereitung ist da unerlässlich. Auch wenn es sich bei den Zuhörerinnen um gestandene Frauen handelt, die „durchs Leben gereift sind“, sagt Gaus.

„Wir wurden in interkultureller Kompetenz und Gesprächsführung geschult und haben zahlreiche Einrichtungen in Stuttgart kennengelernt, an die sich die Menschen bei Bedarf wenden können“, erzählt Gaus. Von psychologischen Fachkräften haben sie erfahren, wie sie sich auch selbst schützen, um die Probleme, die sie hören, nicht mit nach Hause zu nehmen.

Das Angebot findet künftig immer samstags statt

„Wir sind gut vorbereitet, aber natürlich ist es auch ein Wagnis“, sagt Gaus. Sie wird am Samstag, 16. Februar, zum Start des Projekts zusammen mit einer Kollegin in der Sakristei von St. Elisabeth auf die Menschen warten, die ein Gespräch suchen. Von da an werden jeden Samstag von 10 bis 11 Uhr zwei Zuhörerinnen da sein. Abwechselnd in der Sakristei (am ersten, dritten und, wenn es ihn gibt, am fünften Samstag eines Monats) und im Familienzentrum St. Stefan, Rotenwaldstraße 96 (am zweiten und vierten Samstag des Monats).

„Wir wissen, dass wir einen langen Atem brauchen“, sagt Weiß. „Es kann sein, dass am Anfang niemand kommt.“ In anderen Gemeinden werde das Angebot jedoch sehr gut angenommen, und Dominik Weiß und auch Ellen Gaus gehen davon aus, dass dies im Westen nicht anders sein wird. „In der heutigen Zeit werden die seelischen und existenziellen Nöte größer, und ich bin mir sicher, dass die Menschen den neutralen Ort annehmen werden“, sagt Gaus.

Sie hofft auch, selbst aus den Gesprächen immer etwas mitnehmen zu können. „Von tiefgründigen Unterhaltungen haben immer beide Parteien etwas“, sagt sie. Zudem habe sie durch das Ehrenamt neue Leute kennengelernt und auch vieles über Angebote in Stuttgart erfahren, was sie vorher nicht gewusst hatte.