Riechen, hören, fühlen, schmecken: Beim ökumenischen Abendrot-Gottesdienst der evangelischen Steigkirchengemeinde und der katholischen Gemeinde Sankt Martin in Bad Cannstatt sollen die Besucher auf besondere Art angesprochen werden.

Bad Cannstatt - Kiloweise frische Erde herankarren, in die man barfuß hineintreten darf, oder aber 300 Rosenköpfe mit betörendem Duft im Raum verteilen – das Organisationsteam der Steigkirchengemeinde und der Gemeinde Sankt Martin scheut keinen Aufwand, um ihren Abendrot-Gottesdienst zu etwas Besonderem zu machen. Diesen gibt es seit bald 16 Jahren; er wird einmal im Monat im Ökumenischen Zentrum Burgholzhof abgehalten.

 

Nachdem die US-amerikanischen Streitkräfte abgezogen und auf dem Burgholzhof viele neuen Wohnungen entstanden waren, wurden auch die Kirchengemeinden dort aktiv. „Die Bewohner haben irgendwann gefragt: Wann gibt es denn einen Gottesdienst hier oben?“, erzählt Manfred Scherer. Daraus habe sich dann das ehrenamtliche, ökumenische Gottesdienstprojekt entwickelt, welches parallel zu den normalen Gottesdiensten in den beiden Kirchen läuft. Man wolle keine Konkurrenz darstellen, betont Scherer. „Es ist eine Ergänzung, eine Bereicherung.“

Manchmal wird auch eine Scheibe zerschlagen

Der Abendrot-Gottesdienst ist jeden dritten Sonntag im Monat, und zwar – wie der Name schon vermuten lässt – abends um 19 Uhr. Für jeden Termin wird im Vorfeld eine Art Drehbuch ausgearbeitet. Die Organisatoren überlegen sich gemeinsam den Ablauf und legen fest, wer was tut. Allen Abendrot-Gottesdiensten ist gemeinsam, dass er stets alle Sinne der Besucher auf eine besondere Weise ansprechen soll. Oft werden Bilder gezeigt, es gibt immer auch Musik. Um einen besonders dichten Moment zu erzeugen, hat Peter Kuhn aber auch schon mal eine Scheibe oder einen Spiegel zerschlagen – oder das Team hat eben Hunderte Rosenköpfe ausgelegt, um den Geruchssinn der Besucher intensiv anzusprechen.

„Unser stärkstes Profil ist, dass wir den Raum im Ökumenischen Zentrum zu einem Gottesdienstraum machen und dabei jedes Mal neu gestalten“, erklärt Peter Kuhn. Die Optik sei bei ihnen jedoch nicht lediglich Dekoration, sondern sei aktiv in den Gottesdienst integriert – beispielsweise können die Trennwände des Raums als visuelles Element eingesetzt werden.

Ein mobiles Kreuz bedeutet Wandlungsfähigkeit

Weil ihnen die Wandlungsfähigkeit wichtig war, gibt es sogar ein mobiles Kreuz. „Wir fanden es nicht sinnvoll, das Kreuz an einem festen Platz im Raum aufzuhängen“, erklärt Scherer. Daher habe man in Zusammenarbeit mit einem Künstler den weißen, etwas mehr als Din-A-4 großen Block entworfen. Vorne ist ein Kreuz eingeprägt; um die Kanten ist „Am Anfang war das Wort“ zu lesen.

Nach dem Gottesdienst ist stets noch Zeit für Gespräche. „Das Zusammensein ist wichtig, dass wir uns als Gemeinde erleben“, sagt Scherer. Deswegen gibt es ein paar Mal im Jahr außerdem zusätzliche Veranstaltungen unter dem Titel „Abendrot extra“. Das sind Filmabende, Führungen oder Ausflüge. „Dieses Jahr besuchen wir beispielsweise das Literaturarchiv in Marbach“, erzählt Kuhn.