Kardinal Meisner hat wieder einmal eine Welle der Empörung ausgelöst - diesmal mit einer Äußerung über Muslime. Auch er selbst hält seine Wortwahl im Rückblick für „unglücklich.“

Kardinal Meisner hat wieder einmal eine Welle der Empörung ausgelöst - diesmal mit einer Äußerung über Muslime. Auch er selbst hält seine Wortwahl im Rückblick für „unglücklich.“

 

Köln - Fast scheint es, als hätte Kardinal Joachim Meisner kurz vor der Rente noch einmal so richtig zulangen wollen. Was hat er in der Vergangenheit nicht schon alles gesagt? Er verglich Abtreibungen mit den Verbrechen der Nazis und bezeichnete Kultur ohne religiösen Bezug als „entartet“. Und nun ließ er vor konservativen Katholiken den Satz fallen: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“

Das klingt, als vertrete Meisner die Meinung, katholische Kinder seien mehr wert als muslimische. Man könnte sogar meinen, hier schwinge die Befürchtung mit, die Katholiken könnten in Deutschland auf Dauer von den Muslimen zahlenmäßig überrundet werden.

Entsprechend empört fielen die Reaktionen nicht nur von muslimischen Organisationen, sondern auch von Politikern aus. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), selbst Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken, kritisierte: „Eine abgestufte Wertigkeit von Familien und damit von Kindern je nach Herkunft oder Religionszugehörigkeit verstößt nicht nur gegen unsere Verfassung, sie ist auch alles andere als christlich.“ Kardinal Meisner wäre gut beraten, „eine Klarstellung seiner verunglückten Aussagen vorzunehmen.“

Meisner: Wortwahl war vielleicht unglücklich

Was er dann auch umgehend tat. „Es war keineswegs meine Absicht, Menschen anderen Glaubens damit zu nahe zu treten“, versicherte er in einer Stellungnahme. „Meine Wortwahl war in diesem Fall vielleicht unglücklich. (...) Ich habe schon verschiedentlich gesagt, dass muslimische Familien unserer überalternden Gesellschaft in manchem ein Beispiel geben.“

Tatsächlich hat Meisner in der Vergangenheit mehrfach beklagt, dass selbst Katholiken heute zu wenige Kinder bekämen - sie könnten sich hier durchaus ein Beispiel an vielen muslimischen Familien nehmen. Nun lobte er vor Vertretern des konservativen „Neokatechumenalen Weges“ „die Glaubenskraft von Eheleuten, die zehn Kinder in die Welt setzen“.

Was er mit dem Satz über die muslimischen Familien meinte, war wohl in etwa: „Toll, dass viele von euch so viele Kinder haben! Das ist ja sogar noch besser als bei den Muslimen!“ Was er wohl nicht sagen wollte, war: „Ein katholisches Kind ist dreimal so viel wert wie ein muslimisches.“

Doch auch wenn man diese Interpretation zu Meisners Gunsten annimmt, muss sich der 80 Jahre alte Erzbischof wohl vorhalten lassen, mit seiner Äußerung Klischees zu bestätigen. „Es gibt ja solche Wahrnehmungen, Muslime würden so viele Kinder auf die Welt bringen“, sagte der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Union Ditib, Bekir Alboga, am Mittwoch in einem Interview der Deutschen Welle. „Damit schürt man Angst und Missverständnis. Es entspricht auch nicht den statistischen Realitäten.“

Der Zentralrat der Muslime sprach von „Sarrazin-ähnlichen Äußerungen“. Thilo Sarrazin, früherer Berliner Finanzsenator und Ex-Bundesbank-Vorstand, hatte wiederholt mit Äußerungen zur Integration von Ausländern provoziert.

Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Grünen, Sven Lehmann, meinte, Köln könne aufatmen, wenn Meisners Amtszeit nun endlich ablaufe. Er passe einfach nicht „zu einer Metropole der Vielfalt“. Tatsächlich hatte das Erzbistum im Dezember sogar selbst „eine starke Differenz zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Katholiken“ eingeräumt. Auch praktizierende Katholiken können sich in Meisners Ansichten demnach nicht mehr wiederfinden. Man darf deshalb annehmen, dass das noch für Februar erwartete Ende seiner 25-jährigen Amtszeit auch im eigenen Lager eher mit Erleichterung als mit Bedauern aufgenommen werden wird.