Kirchenmusikdirektor Hans-Eugen Ekert ist seit 33 Jahren Kantor der Lukasgemeinde im Stuttgarter Osten. Eigentlich ist er ein Experte für alte Meister – aber er hat auch ganz überraschende musikalische Vorlieben.

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Das Orchester hat gestimmt, der Chor steht bereit, die Zuschauer sitzen erwartungsfroh auf den Stühlen. Dann betritt er endlich das Schiff der Lukaskirche, Hans-Eugen Ekert, Kirchenmusikdirektor und Kantor der Lukas- und Friedenskirche. Der 65-Jährige begrüßt freudestrahlend das Publikum und setzt sich dann an das Cembalo inmitten seiner Musiker. Auf dem Programm dieser „Großen Herbstmusik“ stehen Georg Friedrich Händels „Cäcilienode“ und Georg Philipp Telemanns „Tageszeiten“.

Hans-Eugen Ekert, der 1983 als junger Kantor in der Lukasgemeinde anfing, hat ursprünglich einmal Musiktherapie studiert. „Das war wahrscheinlich mein christliches Helfersyndrom“, erzählt er augenzwinkernd. „Man wollte doch seine Begabung irgendwie in den Dienst des Menschen stellen!“ Irgendwann merkte er aber, dass er sich musikalisch nicht wirklich ausgelastet fühlte und begann ein Studium der Kirchenmusik in Wien. Kirchenmusik sei einfach die tollste Musik, sagt Ekert: „Ich bin Christ und habe mit Tönen die Möglichkeit zu erreichen, was das Wort nicht erreichen kann.“

Anfangs nur ein kleiner Kirchenchor

Die von ihm gegründete Lukas-Kantorei und das Lukas-Barockorchester, das mit über 20 Konzerten im Jahr über die Grenzen Stuttgarts hinaus bekannt ist, sind heute angesehene Ensembles für alte Musik. „Mir war klar: wenn ich hier anfange mache ich anspruchsvolle Musik!“ erzählt der Kirchenmusiker. Doch aller Anfang war auch für ihn schwer: Als er in der Lukasgemeinde anfing, gab es zwar einen kleinen Kirchenchor, der aber lediglich aus etwa elf „mehr oder weniger betagten Damen, sechzig aufwärts“ bestand. „Mit 65 darf ich das so gar nicht sagen, aber damals kam mir das Alter der Sängerinnen einfach astronomisch vor.“ Um wenigstens dreistimmig singen zu können, stellte sich Ekert mit in das „Chörle“ und dirigierte von dort aus.

Ungefähr vier Monate nach seinem Arbeitsbeginn dann die Sensation: „Ich kam irgendwann im September in eine Probe und sofort rannten mir zwei aufgeregte Frauen entgegen: Herr Ekert, mir hen an Mô!“ Der erste Mann blieb und nach und nach kamen immer mehr.

Aus Köln und München kamen Profimusiker

„Ich konnte auf einmal vierstimmig singen“, erzählt Ekert. Er fing an, musikalisch anspruchsvolle Projekte zu veranstalten, zu denen er sich Musiker von der Hochschule einlud. „Aber nie, ohne die Kantoreimitglieder, die nicht professionell, sondern einfach nur gerne und gut sangen, aus den Augen zu verlieren“, sagt er. „Ich wollte ja um Gottes Willen niemanden überfordern!“ Die professionellen Instrumentalisten waren von seinem Faible für historische Aufführungspraxis begeistert und reisten aus Köln und München an, um unter Ekert Musik zu machen. So entstand 1988 das Lukasbarockorchester für alte Musik. „Anfänglich war ich auf diesem Gebiet ein richtiger Pionier“, sagt der Kirchenmusiker nicht ohne Stolz. Inzwischen könne man in Stuttgart aber auch anderswo „ebbes Barockes“ erleben.

Immer häufiger brachte Ekert professionelle Musiker mit Amateuren zusammen. „Das war manchmal schon ein ziemlicher Spagat, aber spätestens am Konzert hat alles hervorragend funktioniert.“

Privat hört der Kantor gern Arabisches

Auf die Frage, ob die Kirchenmusik in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt noch eine große Rolle spiele, antwortet er: „Sie ist immer noch präsent, allerdings nicht mehr so wie zu Bachs Zeiten. Unsere Gesellschaft ist viel säkularisierter.“ Dennoch sei die Kirchenmusik im Stuttgarter Osten durchaus ein belebender Faktor: „Meine beiden Kinderchöre an der Lukas- und der Friedenskirche sind groß!“ Manchmal gehe er auch in Kindergärten und singe dort mit den Kleinen. „Und wenn wir bekannte Werke, wie Bachs Weihnachtsoratorium aufführen, dann ist die Kirche gerammelt voll!“

Manchmal braucht aber selbst Kirchenmusikdirektor Ekert eine Pause von der geistlichen Musikwelt. So ist er auf die Idee für das Programm der „Großen Herbstmusik“ gekommen: Ein weltliches Programm mit geistlichem Inhalt sollte es sein. Zu Telemanns „Tageszeiten“ schweben plötzlich vier Tänzerinnen der Stuttgarter Ballettschule vor den Altar. Choreografiert wurden die Tanzeinlagen von Christian Fallanga, der selbst ein hochkarätiger Tänzer und Leiter der Schule ist. „Ich fand es immer schon unglaublich bewegend, mit welchem Respekt vor der Aussage des Werkes Christian Fallanga choreografiert“, sagt Ekert. „Das ist Ballett ohne Schnickschnack, das ist ganz große Kunst.

Ob er auch privat gerne eher Spirituelles höre? „Nein, eigentlich nicht. Wenn ich mal etwas auflege, dann ist das oft etwas Arabisches, weil es mich so interessiert, wie Leute aus anderen Teilen der Welt Musik machen.“ Aber auch Popmusik hört Hans-Eugen Ekert sehr gern. „Why not? Schließlich bin ich mit den Beatles groß geworden.“