A+R Architekten entwerfen in Stuttgart eine neue katholische Kirche, nebenan entstehen geförderte Wohnhäuser für Senioren und ein Kindergarten. Ein Baustellenbesuch.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Über dem Max-Eyth-See in Stuttgart-Hofen wird künftig öfter mal ein riesiges Lichtkreuz in der Luft schweben. Dahinter verbirgt sich dann keine temporäre Kunstinstallation, sondern sakrale Architektur. Oberhalb des Sees und des Neckars, im Stadtteil Mönchfeld entsteht eine Kirche, und das Stuttgarter Architekturbüro A + R hat ein gläsernes Kreuz als Teil der Fassade vorgesehen.

 

Kirchenneubauten, zumal christliche, gibt es hierzulande eher selten. Und dieser Neubau ist eine Reaktion auf darauf, dass immer weniger Menschen regelmäßig Gotteshäuser besuchen, dafür immer mehr Menschen dringend Wohnraum suchen. Statt der 400 Kirchgänger, die in der alten katholischen Kirche St. Johannes Maria Vianney Platz fanden, ist in dem neuen Gebäude Platz für 100 Gläubige, wobei sich der Kirchenraum mittels mobiler Trennwand zum benachbarten Gemeindesaal vergrößern lässt.

Kirchneubau wird durch Grundstücksverkauf finanziert

Mit dem Verkauf des Areals an die Caritas, auf dem neben der Kirche ein Gemeindesaal und eine Kita stand, wird der Neubau der Kirche finanziert. Der Bereich Altenhilfe des Caritasverbands für Stuttgart e.V. , die Caritas Stiftung Stuttgart und die Grötzinger Stiftung als Bauherrinnen realisieren auf dem frei gewordenen Gelände Mehrfamilienhäuser.

Den Entwurf zum Wohnquartier hatte ebenfalls das Büro A+R Architekten 2016 gewonnen. Abgerissen und neu gebaut wird seit 2020, am 16. Juli soll die Kirche von Bischof Gebhard Fürst eingeweiht werden, für den Sommer ist ein Quartiersfest geplant.

In den sieben- und achtstöckigen Wohnhäusern entstehen 64 altersgerechte Wohnungen von 30 bis 80 Quadratmetern Größe für Menschen ab 60 Jahren, darunter sind 17 geförderte Sozialwohnungen.

Tiefgaragen für fast jede Wohnungen gibt es ebenfalls. Bisher aber sind sie nicht alle vermietet, das Quartier ist mit der U7 gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. „Da wir hier Baugrund hatten, bei dem in den Fels gebaut werden musste“, sagt der Architekt Alexander Lange, „war das mit vier Millionen Euro ein beträchtlicher Anteil der Baukosten.“

Womöglich hätte man dieses Geld besser anders eingesetzt. Das nur zögerlich angenommene Garagenangebot dürfte die Stuttgarter ASP Architekten, Planer des Rahmenplans des Rosensteinstadtviertels, in ihrer Ansicht bestätigen, nicht mehr jeder Wohneinheit einen Parkplatz zuzuweisen.

In der Kirche sind an diesem Nachmittag die Schreiner am Werk, A+R Architekten sehen ganz zufrieden aus. „Mein Traum, dass der Grundstein unter einem gläsernen Boden im Foyer für alle Zeiten zu sehen sein wird, hat sich hier erfüllt“, sagt der Architekt Johannes Weiß. Es ist der erste Bau einer katholischen Kirche fürs Büro, das auch schon preisgekrönte neuapostolische Kirchen entworfen und jüngst den Wettbewerb für eine evangelische Kirche gewonnen hat.

Altar aus ausrangierten Bänken

Ist die Kirche mit dem Klinker recht dunkel– „damit der Kontrast zum Betonband in Höhe des Licht-Kreuzes größer wird“, so Alexander Lange –, ist der Innenraum mit Kirchenraum, Pfarrbüro und Gemeindesaal hell, mit viel lasiertem Weißtannenholz, Rauputz an den Wänden und den Oberlichtern.

Der Altar und das Oberlicht haben exakt die gleiche Form, „gerade so, als sei der Altar vom Himmel herab durch die Decke in den Kirchenraum gefallen“, sagt Alexander Lange. Er wird relativ im Zentrum stehen, darum herum gruppiert sind die Kirchenbänke – „so ist es seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960ern bei Neubauten vorgesehen“, sagt Johannes Weiß.

Gebaut wird der fünfeckige Altar aus den ausrangierten Kirchenbänken des Vorgängerbaus, mit dieser Idee hatte das Büro A+R im Wettbewerb überzeugt. Die Verzierungen an den Fenstern nehmen Motive, Farben und Form der alten Kirchenfenster auf. Weil der Neubau kleiner ist, wird es auch eine andere Kirchenorgel eingebaut, eine Gabe von einer katholischen Kirche in Bayern.

Direkt gegenüber dem Kirchenneubau ist das Gebäude, das den Kindergarten beherbergt (den die katholische Kirche dann von der Caritas anmietet) Kautschukboden, mit Holzeinbauten und Garderobenfächern, die Stauraum bieten, Gruppenräume, Kochgelegenheiten. Verschiebbare Wände ermöglichen unterschiedliche Raumnutzungen, kleinere Zimmer lassen sich zu einem größeren Raum zusammenschalten in Kita und Kindergarten.

Traumwohnung mit Aussicht

Und oben im Haus befindet sich eine Wohnung mit Traumaussicht. Schon das Treppenhaus zeigt, dass mit Liebe zum Detail geplant wurde, die Treppen mit Holzhandlauf sind mit dunkel gesprenkelten Betonwerksteinen belegt, im obersten Stock ist ein bodentiefes Fenster angebracht, das macht den Gang hell und freundlich. Das Loft selbst ist ein kleiner Wohntraum mit Parkettboden in den Räumen und mit einer großen Terrasse, die einen grandiosen Blick auf Weinberge, See und Fluss bietet.

„Die Häuser öffnen sich in Richtung Neckartal, sie sind als durchlässige Bausteine geplant“, sagt der Architekt Alexander Lange beim Baustellen-Rundgang, „und in der Mitte ist der Quartiersplatz.“ Was auch deshalb sinnvoll ist, da der Platz vor der Kirche nicht der aller einladendste ist, auf der Seite , die der Kirche gegenüberliegt, ist ein Gebäudekomplex mit ziemlich verlassen wirkender Ladenzeile.

In dem zum Platz hin orientierten Erdgeschoss eines der Häuser ist auch die Anlaufstation für diejenigen Bewohner untergebracht, die sich Dienste hinzubuchen, ärztliche Versorgung, Pflege, Wäscheservice. Hier auf dem Platz sollen Begegnungen möglich sein. Leerstand ist nicht zu befürchten, fast alle Wohnungen sind schon vermietet.

Info

64 Wohnungen
entstehen in den drei Wohnhäusern in Mönchfeld im Stuttgarter Norden, alle sind mit Einbauküche und Bad mit bodengleicher Dusche ausgestattet. Es sind 17 geförderte Wohnungen darunter, für sie ist ein Wohnberechtigungsschein A der Stadt Stuttgart erforderlich. Die Kaltmiete für die Sozialwohnungen mit Wohnberechtigungsschein beträgt rund 8 bis 9 Euro pro Quadratmeter, die anderen Wohnungen kommen auf 14 bis 16,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. Die Wohnungen im obersten Stock mit gehobenem Standard (unter anderem mit Parkettfußböden und feinen Malerfließwänden statt Linoleum und Raufasertapete) kosten 18 bis 21 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter.

Service für Senioren
Die Wohnungen sind allesamt altersgerecht konzipiert. Darüber hinaus wird das Konzept „Wohnen mit Service“ angeboten. Es ermöglicht Seniorinnen und Senioren, so informiert die Caritas, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen, alleine oder mit Partnerin oder Partner. Die Wohnungen sind geeignet für Menschen über 60 Jahre mit und ohne Pflege- und Unterstützungsbedarf (Pflegegrad 1 und höher).