Die evangelische Landeskirche in Württemberg nimmt 710 Millionen Euro an Kirchensteuern ein. So viel wie noch nie. Allerdings zeichnen sich die Probleme der Zukunft ab.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Von Trendumkehr keine Spur: Während in anderen Regionen der Republik die kirchlichen Hauhälter schon kleinere Brötchen backen müssen, eilt die evangelische Landeskirche von Rekord zu Rekord. Hatte sie letztes Jahr 702 Millionen Euro an Steuern eingenommen, was einem Plus von rund 7,5 Prozent gegenüber 2014 entsprach und zudem einen absoluten Höchststand darstellte, fließen 2016 noch einmal acht Millionen Euro mehr in die Kassen. Allerdings hat sich der Zuwachs damit stark abgeschwächt und liegt nur noch knapp über der Inflationsrate. „Wir haben offenbar das Plateau erreicht“, sagt deshalb Martin Kastrup. Der Finanzdezernent der Württemberger kalkuliert für das nächste Jahr zwar noch eine weitere Steigerung von 20 Millionen Euro mit ein, er spricht dabei aber selbst von einer optimistischen Prognose.

 

Bisher, so der oberste Haushälter von rund 2,1 Millionen Protestanten in Württemberg, profitiere man noch von der stabilen Wirtschaftslage und den steigenden Löhnen. Es gebe aber auch Unsicherheiten, wie sich der Brexit, die Präsidentenwahl in den USA oder die Krise in der Türkei auf die Konjunktur auswirkten. „Hoffen wir, dass negative Trends nicht auf Württemberg durchschlagen“, sagt Kastrup. Einstweilen hat die Landeskirche freilich keine Finanzsorgen und kann im Grunde aus dem Vollen schöpfen. Die Rücklagen sind gut gefüllt, obwohl die Niedrigzinsphase die Anlage erschwert.

„Schlechte Zeiten können wir abpuffern“, sagt Kastrup. Der Haushaltsplan, den die Synode in der kommenden Woche beschließen soll, sieht denn auch Mehrausgaben vor. So wird zum Beispiel für die Flüchtlingshilfe ein weiteres Paket über 5,5 Millionen Euro geschnürt. Ein Großteil der Mittel geht in die Herkunftsländer. Der Rest wird unter anderem dafür verwendet, die psychologische Beratung auszubauen, Mitarbeiter zu schulen, interkulturelle Bildung zu fördern oder Freizeiten zu finanzieren. „Mittlerweile haben wir auch ein flächendeckendes Netz von Referenten, die ehrenamtliche Helfer begleiten“, betont Michael Fritz, der Vorsitzende des Finanzausschusses. Insgesamt gebe die Landeskirche rund 25 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe aus. Und dabei ist das hohe Engagement der Ehrenamtlichen noch gar nicht erfasst.

Ein Strukturfonds über 30 Millionen Euro für schwierige Zeiten

Fritz betont auch, dass die Gemeinden reichlich vom Geldsegen profitieren. Schon deren reguläre Zuweisungen würden um drei Prozent steigen. Dazu kämen weitere Mittel etwa zur Förderung innovativer Projekte. Auch ein Strukturfonds über 30 Millionen Euro soll den Gemeinden helfen, sich für schwierigere Zeiten zu wappnen. Denn zukünftig wird sowohl die Zahl der Kirchenmitglieder als auch der Pfarrer stark zurückgehen. Die Gemeinden müssten darüber nachdenken, wie sie mit ihren Pfarrhäusern verfahren, ob sie sich zu größeren Einheiten wie einem Verbund zusammenschließen oder etwa für Kindergärten neue Trägerstrukturen schaffen, sagt Fritz. Es gelte auch, die Pfarrer von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.

Zwar steht der neue Pfarrplan, der die Zahl der Pfarrstellen voraussichtlich weiter reduzieren wird, erst im Frühjahr auf der Tagesordnung des Kirchenparlaments, aber er wirft seine Schatten bereits voraus. Um dem Mangel an Theologennachwuchs zu begegnen will die Synode jetzt alternative Zugänge zum Pfarramt öffnen. „Es geht auch darum Leute aus anderen Berufen zu gewinnen“, sagt Inge Schneider, die Präsidentin der Synode. Denkbar sei es ferner, Sonderpfarrstellen künftig mit anderem Personal als mit „Volltheologen“ zu besetzen.

Die Pensionierungswelle macht der Kirche zu schaffen

Hintergrund der Überlegungen ist eine Pensionierungswelle, die etwa in zehn Jahren ihren Höhepunkt erreichen wird. Dann werden jedes Jahr rund 100 Pfarrer in den Ruhestand gehen, aber nur rund 50 Theologen aus der Universität nachrücken. Erst um das Jahr 2035 herum – so die Prognose – wird sich diese Lücke wieder schließen. Die, so erklärt Martin Kastrup, ergebe sich übrigens keineswegs daraus, dass die Zahl der Theologiestudenten zurückgehe. „Da ist die Lage in etwa stabil“, so der Finanzdezernent. Doch in den 90er Jahren seien eben sehr viele Pfarrer eingestellt worden, die demnächst das Pensionsalter erreichen.

Die Synode will die finanziellen Handlungsspielräume darüber hinaus auch nutzen, um die Aufwandsentschädigung für die Kirchenparlamentarier neu zu regeln. Künftig soll die Präsidentin der Synode 1000 Euro im Monat erhalten, Vorsitzende der Ausschüsse bekommen 200 Euro, und ein gewöhnlicher Synodaler erhält 40 Euro. Zwar mutet die prozentuale Steigerung dabei jeweils massiv an – Inge Schneider erhält dann mehr als sechsmal so viel wie bisher –, aber die Summen an sich bleiben sehr überschaubar. Die Reform sei überfällig, sagt denn auch Fritz angesichts des hohen Zeitaufwands für die Ehrenämter. „Im Vergleich zu anderen Landeskirchen bleiben wir Württemberger sparsam und bescheiden.“ http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.geldsegen-fuer-die-kirchen-steuereinnahmen-erreichen-rekordhoehen.9ae60dc7-676e-4ba6-8482-3ce5a765b2c3.html