Der Papst verweigert den deutschen Bischöfen einen Alleingang bei der Kommunion für Nicht-Katholiken, weil er an das große Ganze der Kirche denkt. Sind Franziskus‘ Reformen bereits am Ende?

München - Ein so radikales Umdenken in so kurzer Zeit lässt sich im Vatikan praktisch nie beobachten. Am 3. Mai hat Papst Franziskus den zerstrittenen deutschen Bischöfen ausrichten lassen, sie sollten sich bitteschön untereinander einigen in der Frage, ob evangelische Christen zur katholischen Kommunion gehen dürfen. Am 4. Juni dann wird der Brief bekannt, mit dem Franziskus den Deutschen jedes Entscheidungsrecht wegnimmt. Haben die Frühjahrsstürme, die den Mai über in der Kirche tobten, den Papst umgeworfen und seinen Reformeifer zerstört?

 

In der Tat: So schwach wie derzeit stand Franziskus noch nie da. Konservative, selbst Kardinäle, attackieren ihn als Ketzer, Kirchenzerstörer, Protestantisierer; sie rücken ihn in die Nähe des „Antichrist“ und rufen andere Bischöfe zum „Widerstand“ auf. Könnten sie ihn absetzen, sie würden es tun. Und Franziskus spürt, dass selbst ein Papst in der katholischen Kirche kein Alleinherrscher ist. Doch deshalb sind seine Reformen noch nicht gestoppt. Sie gehen nur institutionell geordnete Bahnen.

Ausnahmen als Regel?

Festgehalten haben Papst und Glaubenskongregation folgendes: Anders als eine Zwei-Drittel-Mehrheit der deutschen Bischöfe befindet, ist jede formelle – darauf kommt es an – Zulassung von Evangelischen zur Kommunion nicht nur eine Frage individueller Seelsorge. Sie geht an die Lehrsubstanz der katholischen Kirche, und diese kann nicht in nationalen Alleingängen erneuert werden, sondern nur gemeinsam im Weltverbund. Die zuständigen Referate im Vatikan, so verspricht die Glaubenskongregation, seien bereits „mit einer baldigen Klärung beauftragt“. Einstweilen bleibt es bei der von Johannes Paul II. abgesegneten Regel, nach der nichtkatholische Christen nur „in schwerer geistlicher Notlage“ von sich aus zur Kommunion gehen können. Das gesteht auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zu, der die Fronde der deutschen Bischöfe gegen die neuen eigenen Richtlinien anführte. Er sagt nur: Solche Ausnahmefälle dürfe man nicht generell festschreiben und ihnen damit Regularität verleihen.

Damit liegt der „konservative“ Woelki kurioserweise näher bei Franziskus als die Mehrheit der Bischofskonferenz. Denn der Papst selbst sagte 2015, er würde es „niemals wagen“, eine amtliche Genehmigung zu erteilen: „Das liegt nicht in meiner Kompetenz.“ Er ermunterte die einzelnen Gläubigen aber, im persönlichen Gewissen ihre eigene Entscheidung zu treffen, schließlich seien alle Christen durch die Taufe, den Glauben und „den einen Herrn“ verbunden. Auf welch heiklem Terrain er sich bewegt, ist dem Papst bewusst: in seinem Lehrschreiben „Amoris Laetitia“ etwa hat er die mögliche Zulassung von wiederverheirateten Katholiken zu den Sakramenten nicht in den Text gepackt, sondern in eine kleine Fußnote! Als Überlegung, nicht als Lehr-Änderung. Das wäre zu heikel gewesen.

Angst vor dem Ausverkauf

Die Konservativen sagen gleichwohl, Franziskus lasse alles laufen. In der Kommunion für Evangelische sehen sie gar einen Dammbruch: Wer kommt da jetzt alles? Die Deutschen – in der Euphorie ihres Luther-Jahres – denken an Lutheraner, mit denen man sehr viel Einigkeit in Glaubensfragen gefunden hat. In der Welt aber gibt es unzählige protestantische Konfessionen, die in der Hostie des Abendmahls alles mögliche sehen, nur nicht den Leib des „einen“ Herrn. Diese zuzulassen – wäre das nicht ein Ausverkauf dessen, was man selber für das Heiligste hält?

Der Vatikan verspricht nun also eine „baldige Klärung auf universalkirchlicher Ebene“. Was immer „baldig“ bedeutet im Vatikan und bei dieser komplexen Materie. Wahrscheinlich bleibt alles, wie es ist: eine Fußnoten-Reform. Schon diese ist für manche katholische Gemüter viel zu beängstigend.